Der Kunstreiter
sich.«
»Und haben Sie nicht bedacht, welchen Mißdeutungen Sie sich durch solch einen – gewagten Schritt aussetzten?« sagte der Graf ernst.
Die junge, schöne Frau warf den Kopf mit einem halb spöttischen, halb verdrießlichen Lächeln zur Seite.
»Von dem Rittmeister eines Kürassierregiments hatte ich allerdings einen anderen Empfang erwartet,« lächelte sie dabei, »als eine ernste Strafpredigt und Ermahnung. Doch wie dem auch sei, mein Herr Graf, ich bin einmal da, und Sie werden mich hoffentlich nicht wieder fortschicken, ohne mich wenigstens zu hören.«
Graf von Geyerstein war in peinlicher Verlegenheit, aber allerdings blieb ihm hier keine andere Wahl, als die Dame eben gewähren zu lassen, und er bat sie artig, dann wenigstens auf dem Sofa Platz, zu nehmen. Er selber rückte sich einen Stuhl zum Tisch und wollte sich eben darauf niederlassen, als Madame Bertrand lachend sagte: »Selbst das kann ich Ihnen nicht gestatten – Sie müssen sich zu mir auf das Sofa setzen, denn was ich Ihnen zu sagen habe, möchte ich eben nicht laut schreien. Fürchten Sie sich vor mir?«
Ihr dunkles Auge brannte ihm dabei entgegen, und der Graf sagte artig: »Ich unterschätze wenigstens die Gefahr nicht – aber wie Sie wollen. Und welcher Ursache verdanke ich jetzt die Ehre dieses so – unverhofften Besuches?«
»Ich danke Ihnen, daß Sie kein härteres Wort dafür gebrauchten,« sagte die schöne Frau, »aber ein eigentümlicher Grund ist es in der Tat, der mich zu Ihnen führt, und zwar kein geringerer als – mein Mann.«
»Monsieur Bertrand?«
»Derselbe. Seit dem Besuch bei Ihnen, Herr Graf, kenne ich ihn nicht mehr. Er ist vollständig ein anderer Mensch geworden: trüb, ineinander gebrochen, zurückhaltend, scheu und – das Schlimmste für und uns alle – verzagt. Die Zeit über habe ich es auch ertragen und geglaubt, er selber würde es mir endlich gestehen was ihn drückt, denn drücken muß ihn etwas – etwas muß ihm auf der Seele liegen, das den sonst so kräftigen, elastischen Geist mit eiserner Schwere daniederhält; aber er bleibt stumm, und ich bin fest überzeugt, niemand kann mir darüber Auskunft geben als Sie.«
»Aber welchen Einfluß könnte ich auf ihn ausgeübt haben?« sagteder Graf, der nichts weniger wünschte, als mit des Bruders Gattin in diesem Augenblicke den Seelenzustand desselben zu besprechen.
»Das ist auch mir rätselhaft,« erwiderte die Frau, indem sie ihm fest und forschend ins Auge sah, »denn ich hatte bis jetzt nicht geglaubt, daß irgend ein Mensch imstande sei, den tollkühnen, vor nichts zurückschreckenden Bertrand zu zähmen. Aber zahm ist er geworden, seit er Sie gesprochen.«
»Wir haben uns allerdings nur über sehr zahme und alltägliche Sachen unterhalten,« lächelte der Rittmeister. »Ist aber wirklich eine Verwandlung in seinem Charakter, sich einer ruhigen Richtung zuzuwenden, eingetreten, so mag er die vielleicht schon früher gefaßt haben; warum soll ich die Schuld deshalb tragen – wäre überdies eine Schuld dabei? Sie selber haben doch auch gewiß schon manchmal an die Zukunft für sich – für Ihre Tochter gedacht, und können doch nur wünschen, diese gesichert zu sehen.«
»Allerdings habe ich das!« rief Georgine, und ihre ganze Gestalt hob sich dabei, ihr Auge blitzte. Josefine soll und muß die gefeierteste Reiterin Europas werden.«
»Und Sie selber? – wenn Sie einmal altern?«
»Die Zeit liegt noch fern,« sagte die junge, schöne Frau, indem ein leichtes, trotziges Lächeln ihre Lippen umspielte, »und an eine Zukunft für mich habe ich noch nie gedacht.«
»Und könnten Sie sich nicht glücklich fühlen, wenn Sie Ihren Gatten in einem ruhigem Leben glücklich wüßten?« fragte Graf Geyerstein, mit weit mehr Herzlichkeit im Ton, als er bis jetzt gezeigt.
Georgine lachte laut auf. – »Der moralische Ton steht Ihnen prächtig,« rief sie dabei. »Wenn sie sich nur selber sehen könnten, Herr Rittmeister – aber,« unterbrach sie sich plötzlich und fuhr fast erschreckt empor, »liegt Ihren Worten etwa ein tieferer Sinn zugrunde? – Wenn ich mir alles zusammenreime, was Georg in den letzten Tagen gesprochen, auf was er hingedeutet hat – auch seinen unterlassenen Seiltanz, zu dem er schon am Montag die Erlaubnis bekam...« »Ich freue mich recht von Herzen, daß er ihn unterlassen hat,« sagte der Rittmeister ruhig, »diese halsbrechenden Künste sind so undankbar für den Exekutierenden, wie peinlich für die Zuschauer,
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