Der Kunstreiter
selber muß dagegen alles vermeiden, ihren Verdachtzu erwecken. Sie ist einmal mein Weib, die Mutter meines Kindes, und ich bin mit ihr für dieses Leben verbunden. Sie einen höheren Lebenszweck kennen zu lehren, sei fortan mein Ziel, und mein Kind mag dir später danken, was du an ihm – an uns getan.«
»Georg!«
»Genug, jetzt laß mich fort; ich höre, wie draußen deine Tür geöffnet wird.«
»Mein Bursche kommt zurück; ich habe ihm verschiedene Aufträge erteilt, um ihn für diese Zeit entfernt zu halten.«
»Und wo sehe ich dich wieder?«
»Hier, jeden Morgen bin ich bis zehn Uhr zu Hause. Willst du mich früher treffen, so laß mich durch ein paar Zeilen wissen, wo wir uns ungestört begegnen können.«
»Leb' wohl!«
»Leb' wohl Georg, und Gott stärke dich in deinem neuen Leben!«
6.
Eine volle Woche war nach der gepflogenen Unterredung der beiden Brüder verflossen, und der Rittmeister hatte in der ganzen Zeit nichts weiter von Georg gehört. Nur die Stadt beschäftigte sich indessen mehr und mehr mit dem beabsichtigten Seiltanz zwischen den beiden Türmen, je mehr das Ende der Messe heranrückte; wußte man doch, daß die Erlaubnis dazu erteilt worden, und trotzdem spannte sich kein Seil auf jener Höhe, und nichts verriet, daß es überhaupt noch beabsichtigt werde. War es nur Prahlerei von dem Kunstreiter gewesen, das Publikum neugierig zu machen? Graf Geyerstein kannte den Grund und dankte Gott in seinem Herzen dafür; aber trotzdem beunruhigte ihn dieses Schweigen, und er hatte schon beschlossen, den Bruder heute in seiner eigenen Wohnung aufzusuchen, als sein Bursche ihm meldete, ein junger Herr sei draußen und wünsche ihn zu sprechen. Zugleich überreichte er dem Rittmeister die nämliche, mit seiner Adresse beschriebene Karte, die er damals in der Wohnung Monsieur Bertrands hinterlassen hatte.
»Ein junger Herr?« fragte der Rittmeister erstaunt, die Karte neben sich auf den Tisch werfend.
»Blutjung,« bestätigte Karl, »sieht auch ein wenig lustig aus,als ob er mit zu der – Sie wissen schon – zu der Reiterbande gehörte.«
»Es ist gut – laß ihn eintreten. Du störst uns indessen nicht, hörst du?«
»Zu Befehl, Herr Rittmeister,« erwiderte mit militärischem Takt der Bursche und verschwand aus der Tür, um im nächsten Augenblick den angekündigten Besuch hereinzulassen.
Graf von Geyerstein sah einen jungen, sehr elegant gekleideten Mann zu sich eintreten, mit vollen schwarzen Locken und kleinem, leicht aufgedrehtem Schnurrbart, der erst jetzt, bereits in der Tür, seinen schwarzen breitrandigen Filzhut abnahm. Das Gesicht desselben kam ihm allerdings bekannt vor; er konnte sich aber doch nicht entsinnen, wo er ihm schon begegnet wäre, und der Fremde machte dabei eine sehr formelle und tiefe Verbeugung, bis Karl die Tür wieder hinter sich ins Schloß gedrückt hatte.
»Was steht zu Ihren Diensten?« fragte der Rittmeister gespannt.
»Herr Graf,« erwiderte der Fremde, indem er einen Blick zurück nach der Tür warf, »ich schätze mich unendlich glücklich, daß Sie mir vergönnt haben – wir sind doch einen Augenblick ungestört?«
»Und zu welchem Zwecke, wenn ich fragen darf?«
»Sie kennen mich nicht mehr?« lachte der Fremde, und die Stimme klang dem Rittmeister jetzt ganz anders – viel welcher als vorher.
»Ich muß in der Tat gestehen...« sagte dieser.
»Also ist die Verkleidung gelungen,« lachte plötzlich der junge Mann, und mit einem Griff nach dem Munde stand er ohne Schnurrbart vor dem dadurch allerdings überraschten Grafen.
»Madame Bertrand!« rief dieser aber auch im nächsten Augenblick erstaunt aus.
»Bst – nicht so laut!« warnte die mutwillige junge Frau, indem sie dem Grafen lachend mit dem Finger drohte. »Ihr Bursche braucht gerade nicht mit in das Geheimnis gezogen zu werden.«
»Aber was, um Gottes willen, hat Sie bewegen können...«
»In Verkleidung zu Ihnen zu kommen?« unterbrach ihn die Schöne. – »In anderer Weise konnte ich Ihnen keinen Gegenbesuch abstatten, ohne sämtlichen Kaffeegesellschaften der Residenz auf wenigstens drei Wochen Stoff zur Unterhaltung zu liefern. Die Verkleidung schlägt aber in meinen Beruf, und daß ich geschickt darin bin, habe ich Ihnen, glaub' ich, bewiesen. Doch Scherz beiseite,« setzte sie plötzlich ernster werbend, hinzu, »ich mußte Sie sprechen, und da Sie unsnicht mehr mit Ihrem Besuch beehrten, so blieb mir keine andere Wahl, als Sie aufzusuchen. Das Resultat sehen Sie vor
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