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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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ergrauenden Haare fuhr.
    »Nein,« lautete die kurze Antwort, und die Frau schritt, ohne nur zu ihm aufzusehen, an ihm vorüber.
    Der Alte betrachtete sie eine Weile kopfschüttelnd, dann ging er zu dem Sofa, auf dem Josefine lag, und blieb davor stehen. »Hm,« sagte er hier, indem er einen alten, auf der Sofalehne hängenden Rock über die halbentblößten Glieder der Kleinen zerrte, »das Kind wird sich erkälten. Hat sie denn schon zu Nacht gegessen?«
    »Ja, sie war früher fertig als wir.«
    »Wo hockt denn die Christel, daß sie gewaschen und zu Bett gebracht wird?«
    »Rufe sie – die faule Dirne ist nie da, wenn sie gebraucht werden soll.«
    Der Alte ging kopfschüttelnd wieder hinaus und kam bald mit einer Art von Dienstmädchen zurück, das den Tag über auch noch dazu verwandt wurde, die verschiedenen Kostüme in Ordnung zu halten. Das Mädchen schien selber irgendwo eingeschlafen und eben geweckt zu sein, denn sie konnte noch nicht in das Licht sehen. Ohne viele Umstände ergriff sie das schlafende Kind mit dem darüber gedeckten Rock, warf es sich halb über die Schulter, ohne daß es dadurch erwacht wäre, und trug es in sein Schlafzimmer nebenan.
    »Das Fleisch wird ganz kalt,« sagte indes der Alte, der sich nicht weiter um das übrige bekümmerte. »Wo nur Georg wieder bleibt – setz' dich mit her, man muß jetzt das bißchen Fressen so nur immer in aller Hast hineinsetzen.«
    »Iß nur,« erwiderte die Frau, »ich habe keinen Hunger.«
    »Keinen Hunger? und nach der Anstrengung?« brummte der Alte. »Dabei kann man doch wahrhaftig nicht von der Luft leben! – Meinetwegen aber, wenn du nicht willst – ich habe Hunger!« Unddamit warf er seine alte Filzkappe in die Ecke, holte sich einen großen Krug Bier und vom Fenster eine Flasche Branntwein, langte dann aus den vor ihm stehenden, mit guten, nahrhaften Speisen gefüllten Schüsseln wacker zu, und schien sich bald nach Umständen vollständig behaglich zu fühlen. Nur das unruhige Wesen der Frau störte ihn; er sah ihr ein paarmal auf ihrem Gange kopfschüttelnd nach, und dann wieder nach der alten Schwarzwälder Uhr, die im Zimmer hing, hinüber, rückte ungeduldig eine Weile auf seinem Stuhl hin und her und sagte endlich: »Was hast du denn nur heut' abend, Gine, daß du wie toll im Zimmer auf und ab rennst? Weshalb hast du dich noch nicht ausgezogen? Zum Donnerwetter, setz' dich einmal, man wird ganz wirr im Kopf.«
    Die Frau antwortete weder, noch unterbrach sie ihren Gang, und nur manchmal blieb sie einen Moment plötzlich stehen, um nach der Tür hinüber zu horchen. Der Alte sah ihr kopfschüttelnd zu, dann aß er ruhig weiter, bis er satt war, schob jetzt den Teller zurück, schenkte sich ein Bierglas halb voll Branntwein, das er auf einen Zug und ohne eine Miene zu verziehen leerte, und nahm dann das Gespräch noch einmal auf: »Dir geht Georgs neuer Plan im Kopfe herum – er paßt dir nicht, ich weiß es – er paßt auch mir eigentlich nicht recht, aber – bei Lichte besehen, hat er doch am Ende nicht so ganz unrecht. Wir werden alt, und ich für meinen Teil hätte nichts dagegen, wenn ich mich einmal – wenigstens eine Zeitlang – ausruhen könnte, ohne gerade am Hungertuche zu nagen.«
    Georgine schleuderte ihm einen finstern Blick zu, erwiderte aber noch immer keine Silbe, und der Alte, noch einmal zu der Flasche greifend, aus der er sich langsam einschenkte, fuhr, eigentlich mehr zu sich selber als zur Tochter redend, fort: »Und es ist doch eigentlich nur ein Hundeleben, das wir führen, Faxen und Narrenspossen machen, daß das Lumpenvolk sich für seine paar Groschen darüber ausschütten kann und besser danach verdaut – Canaillen, verdammte, die uns nachher auf der Straße über die Achsel ansehen oder hinter uns drein feixen – und wegen solcher Bande riskiert man seine Gliedmaßen, bis man einmal zum Krüppel wird! Nachher kann man betteln gehen, mit Krücke oder Stelzfuß und ihretwegen auch verhungern – was kümmert das sie!«
    Der alte Mann hatte den Ellbogen auf den Tisch gestützt und schaute mit den kleinen, tiefliegenden Augen finster und verdrossen in die dicht vor ihm flackernde Lampe hinein. Aber wo war jetzt der tolleHumor in diesen Zügen, der noch vor wenigen Viertelstunden das Volk da draußen hatte aufjauchzen und jubeln machen? Wo war die Laune geblieben, mit der er sich dem Stallmeister zwischen die Füße warf und seinen Körper verrenkte und durcheinanderwand, nur um dem süßen Pöbel zu

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