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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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doch einsehen lernen, daß du nie mehr dein eigener Herr gewesen, als gerade in jenem einfach natürlichen Leben auf dem Lande!«
    »Und glaubst du wirklich, daß du mich je zur Bäuerin machen könntest?« lachte Georgine, indem sie in Verachtung und Zorn die schön geschnittenen Lippen emporwarf, »ich hätte gedacht, daß du mich besser kennen solltest.«
    »Und du willst mir wenigstens gestatten den Versuch zu machen?«»Nein – dreimal und tausendmal nein!« rief Georgine mit wieder aufloderndem Zorn, »bis ich nicht sicher weiß, daß die Gesetze dir wirklich erlauben mir mein Kind zu stehlen. Ich zweifle nicht an der Möglichkeit, denn ihr Männer habt die Gesetze gemacht, und was gilt euch das Herz einer Mutter? Aber selber erfragen will ich erst die Schmach, und ist das sicher – gut – dann gehe ich mit euch. Von Josefinen kann ich, will ich mich nicht trennen, und über sie wachen werde ich dort, wie die Löwin über ihr Junges. Versucht es dann sie mir abtrünnig zu machen.«
    »Bah!« sagte der Alte, unwillig seinen Kopf schüttelnd, »schwatze keinen Unsinn; es will sie dir niemand stehlen, und Georg ist am kleinen Finger vernünftiger, als du am ganzen Leibe. Beschlafe die Geschichte; morgen wirst du vernünftiger darüber denken. Morgen halte ich dann auch Auktion mit dem Plunder hier oder werfe ihn am liebsten auf die Straße hinaus. Ich wäre doch wirklich neugierig, zu sehen, ob es noch solch einen Narren hier im Neste gäbe, der ihn aufhöbe. Jetzt macht, daß ihr zu Bett kommt. Es ist ein Uhr vorbei, und mir sind alle Knochen im Leibe schon wie zerschlagen.«
    Mit diesen Worten zündete er sich einen Stummel Talglicht an, der auf der Kommode stand, nahm seine Mütze wieder aus der Ecke hervor und verließ langsam, ohne eine »Gute Nacht« weiter für nötig halten, das Zimmer. x

9.
    Am nächsten Morgen saß Komtesse Melanie allein in ihrem Boudoir. Rosalie war mit Luisen ausgefahren – sie selber hatte sie nicht begleiten können oder wollen – und Kopfschmerzen, Unwohlsein vorgeschützt. Sie war in der Tat nicht wohl, wenigstens ganz ungewöhnlich aufgeregt und unruhig, und nahm bald ein Buch zur Hand, ein paar Seiten desselben zu durchblättern, bald begann sie an einer angefangenen Zeichnung, bald an einer Stickerei und schob nach wenigen Minuten alles wieder beiseite, um sich auf das Sofa zu werfen und ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. So war es zwölf Uhr geworben, als es leise an die Tür klopfte und auf ihr Herein ein Diener eintrat, welcher meldete: der Herr Rittmeister von Geyerstein lasse anfragen, ob er der gnädigen Komtesse seine Aufwartung machen dürfe.
    »Graf Geyerstein?« rief Melanie, fast erschreckt von dem Sofaemporfahrend. Die Überraschung dauerte aber nur wenige Momente, denn schon im nächsten Augenblicke wieder vollständig gesammelt, sagte sie ruhig: »Es wird mir sehr angenehm sein; führen Sie den Grafen herein.«
    Wenige Minuten später hörte sie draußen den festen, klirrenden Schritt des Offiziers, und der Graf stand in ihrem Zimmer, ehe sie selber sich genug gefaßt hatte, ihn ruhig begrüßen zu können.
    »Komtesse,« sagte der Rittmeister, sich förmlicher vor ihr verneigend, als er sonst als alter, gern gesehener Freund des Hauses getan, »Ihr Herr Vater trägt die Schuld einer Störung, wenn ich Ihnen eine solche verursacht habe; denn mein Dienst rief mich zu ihm, und da er für den Augenblick noch beschäftigt ist, war er so gütig mich indes zu Ihnen herüberzuweisen – ich wäre sonst nicht so früh bei Ihnen erschienen.«
    Eine rasche, freundliche Entgegnung lag schon auf Melanies Lippen, aber sie zwang sie zurück und sagte artig, aber lange nicht mit der gewohnten Herzlichkeit im Ton und Ausdruck: »Mein Vater weiß recht gut, daß Sie uns immer willkommen sind, auch ohne die Entschuldigung, Herr Graf.«
    »Aber auch ohne diese Veranlassung hätte ich Sie heute noch aufgesucht, Komtesse,« nahm der Graf nach einer leisen Verbeugung wieder das Wort, indem er sich, einer einladenden Handbewegung Melanies folgend, auf einen Stuhl ihr gegenüber niederließ, »denn ich wollte mich auf einige Zeit von Ihnen verabschieden.«
    »Sie wollen fort von hier?« rief Melanie schneller und mit weit mehr Teilnahme, als sie vielleicht zu verraten willens war.
    »Nur auf kurze Zeit; auf eine, vielleicht auf einige Wochen; und zwar in Angelegenheiten, die meine Anwesenheit auf einer meiner Besitzungen dringend nötig machen. Ich habe dazu den Urlaub vom

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