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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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den Handel übermein letztes Pferd abgeschlossen, die wenigen ausgenommen, die ich mit mir zu nehmen gedenke, und morgen schon verlassen wir ***, keine weitere Messe mehr zu besuchen. Die Gesellschaft ist aufgelöst, die Leute werden morgen ausgezahlt, und ich und Josefine ziehen hinauf nach Mecklenburg, ein neues Leben von heute an zu beginnen.«
    »Und glaubst du, daß ich das Kind dir gutwillig lassen werde?« fragte Georgine, und ihre ganze Gestalt zitterte in der furchtbaren Bewegung, die sich ihrer bemächtigt hatte.
    »Du mußt, Georgine,« lautete die feste Antwort, »die Gesetze schützen mich darin – wenn ich deren Schutz anrufen müßte. Ich habe mich genau danach erkundigt. Josefine ist über sieben Jahre alt, und das Gesetz spricht in diesem dem Vater des Kindes, falls sich die Eltern trennen sollten, das Recht zu, über seine Zukunft zu wachen und zu bestimmen.«
    »Und wer hat dich mit den Gesetzen so genau bekannt gemacht? – – glaubst du nicht, daß ich deinen Helfershelfer errate?«
    »Wenn du den Mann meinen Helfershelfer nennst, der mir wie einem Ertrinkenden die Hand bietet, mich aus einem Leben zu erretten, das mich die letzten Jahre nur zwischen Verzweiflung und Selbstmord schwanken ließ, so hast du recht,« sagte Georg düster.
    »Zwischen Verzweiflung und Selbstmord, du?« rief erstaunt die Frau, »du, der nur Lust und Stolz in der Ausübung seiner Kunst fand, dem an Kühnheit und Geschicklichkeit keiner gleichkam?«
    »Es ist gut,« erwiderte der Mann, ernst mit der Hand abwehrend, »die Zeiten sind, Gott sei Dank, vorbei, denn du kennst mein früheres Leben nicht, weißt nicht, kannst nicht wissen, was ich gelitten und geduldet habe, um es zu vergessen. Jetzt endlich ist mir Rettung geboten; jetzt endlich streckt sich mir eine Hand entgegen, mich zurück zu Sicherheit und Ruhe zu führen, und, beim ewigen Gott! Ich will sie nicht undankbar von mir stoßen. – Du kennst mich, du weißt, daß ich durchführe, wozu ich einmal fest entschlossen bin; glaube also nicht, mich durch zornige Worte oder machtlose Drohungen schwanken zu machen. Auch dir bietet sich die Hand, auch für dich ist die Hilfe gemeint. Folge deshalb meinem Rat – folge deinem Gatten – deinem Kinde, und stürze dich nicht wieder einem Leben entgegen, an dem du jetzt vielleicht Freude findest, in dem du aber doch mit der Zeit rettungslos untergehen müßtest.«
    »Er hat recht, Gine,« sagte auch der Alte, der, ohne bis jetzt sein« Stellung zu verändern, aufmerksam den Worten Bertrands gelauschtund nur manchmal langsam dazu mit dem Kopfe genickt hatte. »Wir alle werden nicht jünger, und ein solcher Schlupfwinkel fürs Alter bietet sich nicht einem jeden von uns. Der rote Kaspar war zu meiner Zeit, wie ich noch in Bundhosen herumlief, ein so toller Hanswurst, wie es je einen gegeben hat: die Banden zahlten ihm damals schon sechs- bis siebenhundert Taler jährlich mit Kußhand, und er brauchte sich noch nicht einmal bei ihnen zu bedanken. Auf der Messe jetzt habe ich ihn mit einem abgeschnittenen Beine und einer Drehorgel und Mordgeschichten getroffen, und ich mußte ihm ein paar Groschen geben, daß er nur endlich einmal wieder, wie er meinte, etwas warmes in den Leib bekäme. Ich selber habe nicht die geringste Lust, in meinen alten Tagen mit einer Drehorgel oder mit Fleckseife im Lande herumzureisen, Winter und Sommer draußen auf den Straßen zu liegen und den Bauernlümmeln die alten schmierigen Rockkragen abzuseifen oder schreckliche Blutgeschichten vorzuleiern, in denen zuletzt immer die Polizei gelobt wirb. Ich und der Karl, wir gehen mit. Der Karl soll auch Ökonom werden, daß er mir nicht den Hals bricht wie sein Vater, was ihm der lahme Jörgen schon vor vier Jahren prophezeit hat.«
    »Geh mit uns, Georgine!« bat da auch Bertrand, mit weit mehr Herzlichkeit, als er bisher zu ihr gesprochen. – »Versuche es nur einmal ein Jahr mit uns, und du wirst sehen, daß du gar rasch und freudig dich in den neuen Zustand findest. – Du kennst das stille bürgerliche Leben ja noch gar nicht; weißt nicht, ahnst noch nicht einmal, welche Reize und Genüsse es bietet. Bleibe bei uns; bleibe bei deinem Kinde, dem doch kein Fremder je die Mutter wird ersetzen können.«
    »Soll ich Komödie in deinem Familienkreise spielen?« fragte das schöne Weib höhnisch, indem sie mit untergeschlagenen Armen vor dem Gatten stehenblieb.
    »Nenne es die erste Zelt, wie du willst,« sagte Bertrand ruhig, »nur zu bald wirst du

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