Der Kunstreiter
Frau? Wir sind hier unter uns, und Sie wissen, daß mir der Titel nicht gebührt.«
Graf Geyerstein hatte mit sich geschwankt. Auf die erste, fast herzliche Anrede der Frau war er – uneinig mit sich, ob es zum Guten oder Bösen führen könne – schon fast geneigt gewesen, Georginen, gegen seine frühere Absicht, in sein Geheimnis einzuweihen. Ihre letzte, halbversteckte Drohung, ihr zorniges Auffahren jedoch zerstörte den guten Eindruck wieder, den ihre ersten Worte gemacht. Wer bürgte ihm dafür, daß die Frau nicht doch über kurz oder lang – und wenn sie wußte, wer ihr Gatte war – zu dem alten liebgewonnenen Leben zurückkehren könne, und dann war ihrem leichtfertigen Gutdünken das Geheimnis eines edlen Hauses unwiderruflich anvertraut. Soviel aber fühlte er, etwas mußte ihr jetzt geboten werden, sie wenigstens vorderhand zufrieden zu stellen, denn sie durfte nicht gereizt und zum Äußersten getrieben werben. Mit ruhiger Stimme sagte er deshalb: »Im Gegenteil, gnädige Frau, ich weiß, daß er Ihnen gebührt, Sie haben recht; ich kenne Ihren Gatten von früheren Zeiten her. Wir waren, wie ich Ihnen schon gesagt, Jugendfreunde, ich kenne seine Familie und weiß, wie unglücklich sich diese fühlen würde, ihn in eine Laufbahn geworfen zu sehen, die – Sie mögen dafür noch so sehr eingenommen sein – seinem Stande nicht entspricht. Ich selber versichere Ihnen aber jetzt, ich handle in dem, was ich scheinbar für Sie tue, nicht in meinem Namen allein, sondern in dem seiner Familie, in die Sie selber einst aufgenommen werden können – wennSie Ihr früheres Leben eben vergessen wollen. Denken Sie dabei an Ihr Kind – denken Sie, welchen verschiedenen Rang Josefine einst im Leben einnehmen wird, als Baronesse und als Kunstreiterin. Denken Sie daran, daß Sie jetzt noch imstande sind, durch Fleiß und Sparsamkeit ihr auch die Mittel dazu zu verschaffen, und ich bin überzeugt, Sie werden Ihre neuen Verhältnisse im Leben nicht allein mit anderen Augen ansehen, sondern Ihrem Gatten auch danken, der Mut und Selbstbeherrschung genug hatte, einem augenblicklichen und doch nur sehr zweifelhaften Ruhme zu entsagen, um in stiller Zurückgezogenheit für Sie und sein Kind zu wirken und sich später mit seiner Familie wieder auszusöhnen.«
»Und seine Familie heißt in der Tat Geyfeln?« fragte Georgine gespannt.
»Ihr Gatte heißt Georg von Geyfeln,« erwiderte ernst der Graf, »und ich bin fest überzeugt, daß es Ihnen genügen wird, wenn Sie wissen, daß er Titel und Namen mit Recht führt.«
»Und wenn es mir nicht genügt«?« sagte Georgine.
»Es wird dir genügen,« erwiderte hier, an des Grafen Stelle, Georg mit finsterem Blick. »Herr Graf, verzeihen Sie der tollen Neugierde einer Frau, die bis letzt nur zu sehr gewohnt war, ihren eigenen Launen und Neigungen zu folgen. Aber ihr Herz ist gut und ihr Verstand klar; sie wird in kurzer Zeit einsehen lernen, wie töricht sie gehandelt hat, auf so kindliche Weise in Sie zu dringen. Es ist spät, lassen Sie uns zur Ruhe gehen, denn Sie müssen morgen früh aufbrechen, um den Ort Ihrer Bestimmung zu erreichen. Daß ich Ihnen dann bald recht gute und erfreuliche Nachrichten über uns alle geben kann, ist mein heißer Wunsch, meine feste Hoffnung.«
»Und hoffen Sie das auch, gnädige Frau?«
»Ja,« sagte Georgine, ihre Rechte in die dargebotene Hand des Grafen legend, es war das erste Mal, daß er sie ihr bot, »ich will sehen, ob ich mich, wie mein Mann hofft, bessern kann; sonst verspreche ich vorderhand noch nichts.«
»Auf gute Besserung denn!« lächelte der Graf, hob die Hand Georginens leise an seine Lippen und verließ, nach einem herzlichen Händedruck Georgs, rasch das Zimmer.
13.
Es waren nicht ganz drei Monate seit dem Eingange der neuen Pächtersleute auf Schildheim vergangen, und dieser Zeit hatte esauch bedurft, um die volle Einrichtung der Übersiedelten, das volle Eingewöhnen in ihr neues, ihnen vollkommen fremdes Leben zu regeln und festzustellen – und vieles hatte sich in der Zeit geändert. Georg arbeitete in der Zelt mit dem alten Verwalter aus allen Kräften, sich die für ihn unumgänglich nötigen Kenntnisse zu erwerben, und da sich der Platz als vollkommen geeignet dazu erwies, legte er sogar den Grund zu einer Rassenverbesserung der Pferde und Stuterei – und besser verstand niemand mit Pferden umzugehen als er. Für Karl waren zu gleicher Zeit die nötigen Einrichtungen getroffen, daß er die Schule in
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