Der Kunstreiter
auch für diesen schon gesorgt und mit seinem Bruder Rücksprache genommen, daß er in nächster Zeit der ausschließlichen und für ihn nicht wohltätigen Gesellschaft des alten Mannes entzogen werden solle. Nur allmählich durfte das geschehen, um Georginen in ihrem Vater nicht zu sehr zu kränken.
Das Essen war abgeräumt, die beiden Männer arbeiteten noch mit dem Verwalter zusammen, das Nötigste für die nächste Zeit zu besprechen und festzustellen, und Georgine lehnte auf dem Sofa und las – hatte wenigstens ein Buch in der Hand, denn ihre Augen flogen immer und immer wieder nach der Gestalt des Grafen hinüber, der in einem einfach grauen, aber militärisch zugeschnittenen Rocke neben ihrem Gatten saß und mit ihm die Wirtschaftsbücher durchging. Endlich war alles besorgt, der Verwalter empfahl sich, die Bücher wurden weggelegt – es mußte schon elf Uhr sein – und Graf Geyerstein erhob sich ebenfalls, um sein Lager aufzusuchen.
»Unser trockenes Gespräch und Geschäft wird Sie gelangweilt haben,«sagte er, als er zu Georginen trat, ihr gute Nacht zu bieten, »aber morgen sind Sie dessen enthoben, und Ihr Gatte wird schon alles tun, was in seinen Kräften steht. Ihnen das Leben hier angenehm und lieb zu machen.«
»Herr Graf,« sagte das schöne Weib, indem sie aufstand und ihm entgegentrat, »ich bin schon einmal von Ihnen mit einer Bitte abgewiesen worden, aber jetzt weichen Sie mir nicht mehr aus. Fremde Ohren hören uns nicht, also beantworten Sie mir wahr und offen nur die eine Frage: Wem verdanken wir den Anteil, den Sie uns gezeigt?«
»Madame...«
»Halten Sie es nicht für leere Neugierde,« fuhr die Frau fast bewegt fort, »es ist mehr als das. Sie haben sich uns mit einer Aufopferung gewidmet, die für einen Fremden unerklärlich ist. Sie sorgen für unser Wohl, wie kaum ein Bruder für uns sorgen könnte – Sie denken auf das Kleinste wie auf das Größte, Sie müssen sogar Bertrand mit Geldmitteln unterstützt haben, er wäre sonst nicht imstande, trotz dem, was uns noch von dem Verkauf der Pferde geblieben, und was ich genau taxieren kann, ein solches Anwesen, wie dieses, auf dem wir uns jetzt befinden, zu übernehmen, und so dabei zu leben, wie Sie es für uns in Absicht zu haben scheinen. Daß dem allen ein Geheimnis zugrunde liegt, haben Sie mir schon dadurch zugestanden – daß Georg ein anderer ist, als er sich mir gezeigt. Sie mußten mir soviel eingestehen, denn Sie fühlten, daß es zu unwahrscheinlich bleiben würde, den Grafen als einfachen Freund und Protektor des Kunstreiters hinzustellen – auch unser Namenswechsel zeigt das an. Aber selbst dieser ist noch darauf berechnet mich irre zu führen. Vollenden Sie deshalb – behandeln Sie mich nicht länger als eine Fremde – lassen Sie mich wissen, wem wir diese Aufopferung verdanken – welches der wahre Name und Rang meines Mannes ist, und ich werde dann alles, was in meinen Kräften steht, tun, Sie zu unterstützen. Verweigern Sie mir aber meine Bitte – wollen Sie mich als eine Fremde betrachtet wissen, so – könnte ich mich an nichts gebunden halten.«
»Georgine,« sagte Georg mit leisem Vorwurf im Ton, »ist es recht, daß du in den Mann, den du selber unsern Wohltäter nennst, mit solchen Fragen dringst?«
»Wohltäter?« rief das schöne Weib, sich stolz emporrichtend, »den Namen leugne ich. Der Wohltaten waren wir nie bedürftig, sind es noch nicht, denn frei wie der Vogel in der Luft zogen wir unsereStraße, erwarben, was wir gebrauchten, ja, mehr als das, und durften niemandem dafür danken als unserer eigenen Kraft. Das auch ist es allein, was mir jetzt am Leben zehrt, daß ich nicht mehr mein eigenes Brot verdienen soll, daß ich dem Manne – daß ich einem Fremden dafür danken muß.«
»Nicht doch, gnädige Frau,« sagte der Graf ernst, »so viel wie je werden Sie jetzt dazu beitragen müssen. Ihr Brot, wie Sie es nennen, zu verdienen. Bei einer solchen Wirtschaft ist nicht allein der Mann, der draußen die Felder baut, der Ernährer und Erhalter, sondern ebensoviel die Frau, die daheim den Viehstand überwacht, das ganze innere Hauswesen besorgt und in Ordnung hält. Glauben Sie mir, daß bei einem solchen Gute fast mehr von der Tüchtigkeit der Frau als von der des Mannes abhängt, und haben Sie auch noch in diesem Augenblicke nicht alle dazu nötigen Kenntnisse, so wird es Ihnen, mit nur einigem guten Willen, nicht schwer fallen, sich die anzueignen.«
»Und weshalb nennen Sie mich gnädige
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