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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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finde.«
    »Na, nichts für ungut – meinte nur so,« entschuldigte sich Tobias, der mit dem »Schwiegervater«, wie der Alte, ohne daß er es wußte, in der Nachbarschaft hieß, keinen Wortwechsel haben wollte.
    »Ihr seid ein Müller, wie?« fragte Mühler nach einer kleinen Pause, in der er sein Bier ausgetrunken und jetzt mit dem Deckel klappte, sich den Krug wieder füllen zu lassen. Er sah dabei den faulen Tobias von oben bis unten an.
    »Gewesen,« meinte Tobias, »habe das Geschäft aber aufgegebenund es den Kindern überlassen – lebe so behaglicher. Was ist Euer Geschäft, wenn man fragen darf?«
    »Meins?« wiederholte der Alte, durch die Frage doch in Verlegenheit gebracht, »hm, ich – revidiere die Rechnungen und – besorge die Schreibereien.«
    »Aber Ihr seht mir nicht aus wie ein Ökonom.«
    »Nicht?« lachte jener verschmitzt vor sich hin, »bin auch mein ganzes Leben nichts weniger als das gewesen. Habe studiert, in meinen jungen Jahren, versteht sich – sage Euch, habe ein verteufeltes Studium durchgemacht und könnte manchem Professor was zu raten aufgeben, aber – wenn man alt wird, versteht Ihr, macht man eben nicht mehr viel Gebrauch davon.«
    »So? – studiert?« sagte Tobias, nur mit einem unbestimmten Begriff von der Bedeutung des Wortes, »des Schulmeisters Fritze hat auch studiert, ist aber nie was Rechtes aus ihm geworden. – Konnte das Sitzen nicht vertragen, wie er meinte. – Muß nicht hübsch sein, das Studieren!«
    »Und was treibt Ihr nun so hier das ganze Leben durch?«
    »Wir? verteufelt wenig. – So lange man jung ist und das Leben genießen könnte, hat man Plackerei und Schinderei genug – und wird man alt – ja, dann ist's eben vorbei, und man kann weiter nichts tun als sich ausruhen – und das gönnen sie einem nicht einmal.«
    »Guten Tag mitsammen,« sagte in dem Augenblick eine tiefe Stimme, und der alte Forstwart Barthold trat in die Stube.
    »Guten Tag, alter Waldläufer,« lachte Tobias, während sich Mühler nach dem neu Eintretenden umschaute, »na, wo hast du wieder gesteckt?«
    »Ich habe ein paar Eisen für Fischottern gelegt,« sagte der Forstwart, »nimm dich in acht, Tobias, wenn du unter dem Wehr etwa herumkriechen solltest – in der Mühle hab' ich es auch schon gesagt – du könntest sonst einmal einen von deinen alten Hinterläufen unversehens in einen Schwanenhals hineinbekommen, und die Dinger spaßen eben nicht.«
    »Ich habe nichts unten am Wehr zu suchen,« sagte Tobias, »die Fischerei ist vorbei, und bei dem Wetter gehe ich außerdem nicht raus. Du wirst aber auch was Rechtes fangen. Daß du's nur nicht satt kriegst, die Eisen aufzustellen und in dem kalten Wasser herumzupatschen; es geht dir doch keine Otter hinein.«
    »Kann man nicht wissen,« meinte der Forstwart, »und gearbeitet muß doch sein. So bequem wie du können wir's nicht alle haben. Herr Wirt, einen Bittern!«
    »Hol's der Teufel, mir auch einen!« sagte Mühler, »mit dem kalten Bier verschwemmt man sich nur den Magen.«
    »Ich habe auch nichts dagegen,« stimmte Tobias ein, »bei der Kälte draußen kann man schon was Warmes im Leibe vertragen. Ich begreife nur nicht, wie du Winter und Sommer Freude daran finden kannst, draußen im Walde herumzukriechen. Aus den Wasserstiefeln kommst du im Leben nicht heraus – ich glaube, du schläfst drin.«
    »Manchmal nachmittags, ja,« lächelte der alte Mann, »aber ich will dir etwas sagen, Tobias: wem's nicht gegeben ist, der kann auch im Walde keine Freude finden, so wie du und deinesgleichen, die eben nur Büsche und Bäume drin sehen.«
    »Na, siehst du was anderes drin?« lachte Tobias.
    »Allerdings tu' ich das,« erwiderte der alte Mann und wurde auf einmal dabei ganz ernst, ja fast feierlich, »und wenn ich dir auch das jetzt sage, Tobias, wirst du mich doch nicht verstehen. Aber das schadet auch nichts – gute Lehren und Wahrheiten werden oft weggeworfen, aber manchmal bleibt doch ein Korn davon hängen und fällt auf guten Boden, wie der Baum auch seinen Samen über das dürrste Land hinstreut. Irgendein Körnchen wurzelt doch vielleicht und treibt dann wieder einen jungen Baum.«
    »Wirt, mir noch einen Schnaps,« sagte Tobias, »der Waldläufer holt mir zu weit und moralisch aus.«
    »Mir auch noch einen!« rief Mühler, den der Bursche mit seinem Ernst zu amüsieren anfing. Barthold nahm keine Notiz von der Unterbrechung.
    »Siehst du,« fuhr er fort, »wenn du einen einzelnen Baum da draußen stehen siehst, so

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