Der Kunstreiter
Stachel im Herzen, der aber nur die junge Dame wirklich schmerzte. Unterwegs blieb sie auch außerordentlich einsilbig, trotz aller Bemühungen des Barons, der es für seine Pflicht hielt, sich liebenswürdig zu machen. Zu Hause angekommen, sagte sie ihrer Mutter kaum guten Abend, schloß sich dann in ihr Zimmer ein, warf sich in ihr Sofa, und ihr Gesicht in die Hand stützend, starrte sie finsterbrütend vor sich nieder. Fräulein von Zahbern hatte Augenblicke, in denen sie hübscher aussah als in diesem.
»Also doch,« murmelte sie leise vor sich hin, mit dem Fuße dabei den Teppich schlagend, »also doch! – Diese kokette Ralphen, dieses unreife, eingebildete Ding voll Kapricen und Launen! Und wie scheinheilig und unschuldig die – Person gegen mich tat! ob ihr je ein Wort davon über die Lippen gegangen wäre! Das ist Freundschaft, das ist Vertrauen – die kleine giftige Schlange, die! Und was für eine Ursache nur sie und Geyerstein auseinander gebracht haben mag? – Sie hat ihn geliebt, ich weiß es bestimmt, ja meinen Kopf möcht' ich zum Pfande setzen, daß sie ihn noch liebt; sie kann sich einmal nicht verstellen, soviel Mühe sie sich gibt, und als ich ihr neulich nur den Namen nannte, wurde sie bald blaß und bald rot. Hätte ich damals meinen Vorteil verfolgt, ich glaube, ich hätte sie zu einem Geständnis bringen können, aber meine alberne Gutmütigkeit ließ es nicht zu. Gutmütigkeit für solches Entgegenkommen! – Doch warte,« setzte sie entschlossen hinzu, als sie aufsprang und mit raschen Schritten in ihrem Zimmer auf und ab lief, »jetzt hab' ich dich! Liebt sie den Geyerstein wirklich noch, so ist er auch zurückgetreten und nicht sie, und das zu erfahren, hab' ich jetzt ein prachtvolles Mittel. Die Zühbigsche Nachricht ist Gold wert, und daß ich ihr das Gift tropfenweise beibringe, darauf kann sie sich verlassen. Hat sie Selikoff wirklich so fest umgarnt – ist die Verbindung beschlossen und festgesetzt, wie diese boshafte Zühbig behauptet, so kann ich darin so nichts mehr verderben – nur meine Rache will ich noch haben. Der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird, aber die Schlange sticht, und ich will selber jetzt einmal eine Zeitlang die Schlange spielen. Wie sie die Neuigkeit wohl aufnehmen wird? – Ich bin neugierig, ob sie sich so weit verstellen kann! – Aber nein, dazu fehlt ihr Charakterstärke, denn sie ist ja doch weiter nichts als eine arme, hilflose Kokette.«
Fräulein von Zahbern hatte sich selber in eine recht fatale, unangenehme Laune hineingebacht und gesprochen und würde, um dem Resultate zu entgehen, wenn andere Personen gegenwärtig gewesen wären, jedenfalls zu Tränen und Krämpfen ihre Zuflucht genommen haben. Eingeschlossen aber in ihr Zimmer, dachte sie an nichts derartiges, sondern kleidete sich aus, ging zu Bett und grübelte unter der warmen Decke über ihre Rachepläne weiter.
----
Melanie saß am nächsten Tage allein mit Luise in ihrem Zimmer und arbeitete an einer Stickerei. Graf Selikoff hatte sie gerade verlassen, und ein prachtvolles Blumenbukett lag vor ihr auf ihrem Arbeitstische – aber ihr eigenes Antlitz paßte nicht zu den blühenden Rosen und Kamelen, mit denen es prangte. Sie sah bleich und angegriffen aus, und ein schmerzlicher Zug umzuckte den feingeschnittenen Mund.
»Ich will ein Glas Wasser holen,« sagte Luise aufstehend, »die Blumen welken sonst so schnell.«
»Ich danke Ihnen,« erwiderte Melanie, »aber bitte, setzen Sie die Blumen in das andere Zimmer hinüber, ich habe Kopfschmerzen, und die Rosen duften mir zu stark.«
»Sie sehen heute leidend aus, Melanie,« sagte Luise, zu ihr gehend und leise ihre Stirn küssend, »fehlt Ihnen etwas?«
»Nein, nicht das geringste weiter,« lächelte das junge Mädchen, »ein rheumatischer Kopfschmerz jedenfalls; ich fürchte fast, daß ich mich gestern beim Nachhausekommen erkältet habe.«
»Sie waren auch so leicht angezogen.«
»Es wirb vorübergehen – da kommt jemand.«
»Es ist Rosalie – sie wird mich zum Spazierengehen abholen wollen. Begleiten Sie uns vielleicht ein wenig?«
»Heute nicht – Ruhe wird mir besser sein. Was hast du, Rosalie? Du siehst ja so verdrießlich aus! Ist dir etwas geschehen?«
»Mir?« sagte das junge Mädchen, indem sie zu der Schwester ins Zimmer trat und ans Fenster ging, »was soll mir geschehen sein? Ich ärgere mich nur über jemanden.«
»Über wen? – wer hat dir Ursache dazu gegeben?«
»Über wen? – über den Grafen
Weitere Kostenlose Bücher