Der Kunstreiter
dich lange genug gestört.« Und ihre vorhin abgelegten Garderobestücke mit Hilfe Luisens, die ein stummer, aber erregter Zuhörer des ganzen Gespräches gewesen war, wieder anlegend, rauschte Fräulein Franziska aus dem Zimmer, in dem sie bitteres Weh, weit ärger, als sie wohl je geahnt, ausgesäet hatte.
Melanie war schweigend aufgestanden, sie bis zur Tür zu begleiten – ihr Kuß brannte noch auf ihren Lippen, und ebenso still wollte sie wieder zurück zu ihrem Stuhle gehen, als ihr Blick auf das mitleidsvolle, teilnehmende und für sie ängstlich besorgte Gesicht Luisens fiel.
»Meine liebe, liebe Melanie,« flüsterte die Gouvernante, »glauben Sie um Gottes willen nicht, was das Fräulein Ihnen erzählt hat. Fräulein von Zahbern ist nicht wählerisch in ihren Neuigkeiten, und der Stadtklatsch zieht alles in den Staub, was er erreichen kann.«
Melanie streckte die Hand aus, als ob sie ihr etwas erwidern wollte – aber sie vermochte es nicht. Bis hierher hatte ihre Kraft gereicht, und die Arme um den Nacken des treuen Mädchens schlingend, barg sie das Antlitz an ihrer Schulter und weinte still. Luise störte sie auch nicht darin; sie wußte aus Erfahrung, daß Tränen den wildesten Schmerz lindern, lösen können, und ließ sie sich ruhig ausweinen. Dann aber, als Melanie ihren Platz am Stickrahmen wiedereingenommen hatte und nur noch den Kopf in die Hand gestützt nach den ziehenden Wolken am Himmel hinaufschaute, sagte sie freundlich: »Es ist nicht wahr. Ich habe die feste, innige Überzeugung: es ist nicht wahr. Was Herr von Zühbig – sollte die Kunde wirklich von ihm ausgehen – veranlaßt haben kann, ein solches Gerücht auszusprengen, weiß ich nicht, daß aber Graf Geyerstein sich mit dieser Frau so weit einlassen sollte, in ein solches, ihrem Manne gegenüber entwürdigendes Verhältnis zu treten, das glaube ich nicht, und wenn« – Luise mochte selber über das Feuer erschrecken, mit dem sie den Grafen verteidigte, denn ruhiger setzte sie plötzlich hinzu – »wenn selbst ein anderer Mund es bestätigte, als der des Fräulein von Zahbern.«
»Doch, Luise – doch – es ist wahr,« flüsterte leise Melanie, »jedes Wort, das sie gesagt, ist wahr, so oft sie sonst auch übertreiben mag. Eine einzelne Lüge läßt sich erfinden und verbreiten, nicht aber ein ganzes Gewebe von Tatsachen, und daß – Graf Geyerstein jene Frau liebt – des bin ich selber Zeuge.«
»Sie selber?«
»Ja – fragen Sie mich nicht weiter, Luise, aber – ich habe die Beweise, und was mich am meisten schmerzt, ist nur, daß ich noch schwach genug gewesen bin das so zu fühlen und – wie ich fast fürchte – der Zahbern verraten zu haben. Jetzt ist das vorbei; ich habe mich selber wieder, und wenn mein Herz noch törichterweise an jenem Manne hing, dem es sich in erster Neigung zugewandt, so ist das jetzt vorbei – vorbei für immer. Ihnen, Luise, konnte ich das sagen; ich weiß, wie lieb Sie mich haben, wie gut und treu Sie sind, und daß ich Ihnen vertrauen darf, wie einer Schwester. Ihnen war ja auch meine unglückselige Neigung kein Geheimnis, aber jetzt lassen Sie es abgetan – geschlossen sein zwischen uns. – Eine flüchtige Leidenschaft für jene schöne, verlockende Frau hätte ich ihm vielleicht verzeihen können – ein Verhältnis aber ihrem Gatten gegenüber, in das kein Ehrenmann treten würde, mag ihm Gott vergeben, ich kann es nicht. Wenn von jetzt an der Name des Grafen von Geyerstein noch zwischen uns genannt wird, so sei es als der eines fremden – gleichgültigen Menschen.«
»Und wollen Sie dem Grafen nicht gestatten, sich zu verteidigen?«
»Wie kann er es?« fragte Melanie schnell, »und hat er selbst nur den Versuch gemacht? Er weiß, daß ich das Verhältnis kenne, wenn er auch vielleicht nicht ahnt, daß ich jetzt von seinem ganzen Umfangeunterrichtet bin. Von da an mied er selber unser Haus, meine Nähe, und ich bedurfte fast keines stärkeren Beweises, als dieses stille Eingestehen seiner Schuld. Lassen Sie es deshalb abgetan sein, es ist das viel besser so, als wenn wir ihn vielleicht nötigten, Unwahrheiten und Beschönigungen mir gegenüber zu versuchen. Ich kann ihn nicht mehr achten – ich möchte ihn nicht auch noch verachten lernen.«
»Der arme Graf!« seufzte Luise, »und wenn er nun doch unschuldig wäre, wenn irgendein unglückseliges Mißverständnis...«
»Beruhigen Sie sich, Luise; das ist es nicht. Hätte ich mich nicht selber überzeugt – wüßte ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher