Der Kunstreiter
Gnädige,«erwiderte lächelnd Herr von Zühbig, »aber ich habe mit ihnen zu Abend gespeist, habe dort übernachtet und gefrühstückt und bin von Monsieur Bertrand oder vielmehr Baron von Geyfeln noch ein Stück begleitet worden.«
»Baron von Geyfeln?« fragte Frau von Zühbig, »wer ist das nun wieder? Den Namen kenne ich ja gar nicht.«
»Nun, ma chère , die Sache ist sehr klar. Den Namen Bertrand braucht die Familie nicht mehr und nennt sich einfach jetzt: von Geyfeln.«
»Monsieur Bertrand?« rief die gnädige Frau entrüstet, »aber das darf er ja gar nicht. Wie kann sich der Mensch Baron nennen!«
»Liebes Herz,« beschwichtigte sie ihr Gatte, »wer fragt dort danach, wen kümmert oder geniert es? und es nennen sich so viele Menschen Baron, die – hm, noch eine Tasse Tee, mein Schatz. Ich bin wirklich ganz ausgetrocknet angekommen. – Nun, Silberglanz, Sie sitzen ja ganz versteinert da! An was denken Sie?«
»Ich? sonderbare Frage! an diese unerwartete Nachricht – dieser stille Duckmäuser, dieser Graf Geyerstein!«
»Ja, stille Wasser sind tief, lieber Freund!« bemerkte Frau von Zühbig, »mir haben Sie immer nicht glauben wollen.«
»Aber, gnädige Frau!« rief von Silberglanz, »kein Mensch hat doch eine Ahnung haben können, daß Geyerstein...«
»Kein Mensch?« unterbrach ihn die Dame lächelnd, »wir sind nicht alle so kurzsichtig wie Sie. Fragen Sie die Zahbern, was wir schon vor langen Wochen miteinander besprochen haben.«
»Ich kann noch gar nicht wieder zu mir selber kommen,« stöhnte die Genannte, »es ist zu unglaublich. Und deshalb der lange Urlaub!«
»Er übt noch Entsagung genug,« lächelte Frau von Zühbig, »und wird selber über die Dauer seines Urlaubes ganz das Gegenteil gedacht haben, liebe Franziska.«
»Aber wie geht es den – Leuten?« fragte von Silberglanz, »fühlt sich denn die Dame in solchem Doppelverhältnis wohl?«
»Was kann das uns interessieren!« bemerkte die gnädige Frau.
»Es ist doch immer interessant in psychischer Hinsicht,« sagte von Silberglanz.
»Da hat der Baron recht,« bestätigte von Zühbig, »und nur aus diesem Grunde war auch mir das Begegnen dieser Leute – ich wurde genötigt, dort zu übernachten, weil ich ein Rad zerbrochen hatte – höchst interessant.«
»Gott, wie romantisch!« rief Silberglanz.
»Wenn man mit so vielen Menschen zu tun hat wie unsereiner,« fuhr der Intendant fort, »so gewinnt man einen raschen Überblick über Charaktere und Seelenzustände, und ich glaube, ohne mir zu schmeicheln, daß ich mich darin als Autorität betrachten darf. Ich weiß wenigstens seit langen Jahren kein Beispiel, daß ich mich nach solchem gefaßten Urteil geirrt hätte. Demzufolge schien sich Monsieur Bertrand, oder besser gesagt: Baron von Geyfeln, außerordentlich behaglich in seiner neuen Würde zu fühlen.«
»Und seine Frau?«
»Aber was für Interesse nehmen Sie an dem Seelenzustand der Frau?«
»Nur ein allgemeines, meine Gnädigste, auf Parole; nur ein allgemeines. Herr von Zühbig wird mir darin recht geben.«
»Vollkommen, lieber Silberglanz,« lächelte Herr von Zühbig, und der Blick, den er dabei heimlich dem Baron zuwarf, hatte etwas von einem Faun, »die Frau schien sich übrigens, wie ich fest überzeugt bin, nicht glücklich in diesen Verhältnissen zu fühlen. Sie sprach mit Entzücken von ihren früher gefeierten Triumphen, sobald der Herr Gemahl nur einmal den Rücken wandte – was, beiläufig gesagt, sehr selten geschah.«
»Gemahl,« sagte Frau von Zühbig verächtlich, »ich glaube gar nicht, daß die beiden miteinander getraut sind.«
»Ist auch gar nicht notwendig, mein Schatz,« lächelte ihr Gatte, »und, wie du ganz richtig bemerkst, unter den stattfindenden Verhältnissen in der Tat unwahrscheinlich. Desto mehr gerechtfertigt bleibt aber dann meine Behauptung, daß sie sich nicht behaglich unter solcher Aufsicht fühlen könnte – wenn nicht Bertrand doch immer ein sehr hübscher, stattlicher Mann wäre.«
»Ich begreife aber nicht, daß Graf Geyerstein sie zusammenläßt.«
»Wird es nicht hindern können; es gäbe auch sonst zuviel Aufsehen. So verläuft die Sache ganz ruhig und gleichmäßig, denn Herr von Geyfeln ist dem Namen nach der Pächter seines dortigen Gutes, und daß der Eigentümer seine Pächtersleute dann und wann besucht und nach der Wirtschaft sieht, ist nicht mehr wie in der Ordnung, kann wenigstens keiner Seele auffallen.«
»Eine schöne Wirtschaft, die sie dort
Weitere Kostenlose Bücher