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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Geyerstein – es ist recht häßlich von ihm!«
    »Was, mein Herz?« sagte Melanie und fühlte dabei, wie ihr das Blut zum Herzen zurückschoß.
    »Und hast du es denn auch vergessen?« rief Rosalie erstaunt, »ist denn nicht heute mein Geburtstag, an dem er jedesmal morgens bei mir gewesen und den er mit uns gefeiert hat, und habe ich ihn auch heute nur mit einem Auge zu sehen bekommen? Ja – vorbeigeritten ist er vorhin – vor einer Viertelstunde, gerade wie des Grafen Selikoffs Wagen vorbeigefahren war, aber ob er auch nur herausgesehen und gegrüßt hätte – Gott bewahre! Ich bin so ernstlich böse auf ihn, daß ich ihn recht tüchtig auszanken werde, wenn er das nächsteMal wieder zu uns kommt. Da ist Graf Selikoff viel freundlicher – wenn er nur das Zeichnen verstände!«
    »Er wird heute Dienst gehabt haben, Rosalie,« sagte Melanie leise, »und da, weißt du wohl, kann er nicht abkommen, wenn er auch gern möchte.«
    »Ach was,« rief das junge Mädchen, »die ganze Woche und die ganzen letzten vier Wochen hat er nicht in einem fort Dienst gehabt, und wenn er kommen wollte, hätte er gewiß schon einmal Zeit gefunden – und heute hatte ich mich so darauf gefreut, denn meine große Schweizerlandschaft hat er noch nicht einmal gesehen. Was macht denn Graf Selikoff so lange bei der Mama drüben? Ich wollte eben hinüber und wurde nicht hineingelassen.«
    »Ich weiß es nicht; er hat doch wohl etwas mit ihr zu besprechen.«
    »Kommen Sie, Komtesse,« sagte Luise, die recht gut fühlte, wie das Gespräch der Schwester peinlich wurde, »es wird sonst zu spät zu unserm Spaziergang heute.«
    »Ich kann heute nicht gehen,« rief Rosalie rasch, »Mama hat mir Besuch geladen – da fährt er fort,« unterbrach sie sich selber. »Gott sei Dank! jetzt kann ich hinüber und Mama fragen, welches Kleid ich anziehen soll.« Und mit den Worten huschte sie leicht und fröhlich aus der Tür hinaus, allen Ärger in dem einen Gedanken ihres Anzuges vergessend.
    »Fräulein von Zahbern läßt fragen, ob es der gnädigen Komtesse genehm wäre,« meldete in dem Augenblicke die Kammerjungfer durch die halb geöffnete Tür.
    »Lieber Himmel,« sagte Melanie erschreckt, »gerade heute!« aber es blieb ihr nicht einmal Zeit, den Satz zu vollenden, denn Fräulein von Zahbern hüpfte auf Melanie zu, und sie umarmend und küssend, sagte sie lachend: »Ich konnte mir die Freude nicht versagen, unserer kleinen Rosalie zu ihrem Geburtstage zu gratulieren – wo steckt denn der kleine, liebe, wilde Engel?«
    »Rosalie, liebe Franziska, ist eben zu ihrer Mutter gegangen; sie wird aber jedenfalls bald zurückkehren. Bitte, nimm so lange Platz.«
    »Du siehst auch heute wieder angegriffen aus,« sagte Fräulein von Zahbern, indem sie der Gouvernante, ohne diese selbst nur eines Grußes zu würdigen, Mantel und Muff überließ, den Hut dann auf einen nahen Stuhl legte und sich die Locken vor dem Spiegel ordnete, »fehlt dir etwas, mein Herz?«
    »Etwas Migräne, mein altes Leiden, vielleicht auch nur eine Erkältung, die ich mir gestern abend beim Nachhausegehen zugezogen.«
    »Ach ja. Ihr hattet ja euer Kränzchen bei Schodens gestern. Nun, was macht unsere überschwengliche Euphrosyne? schmachtet sie noch? – Ich begreife wahrhaftig nicht, wie sie bei dem Vater auf diese Weise hat ausarten können. Sie webt und lebt und schwebt immer in einer höheren Welt, und kommt mit uns anderen armen Sterblichen eigentlich nur bei Kaffeegesellschaften zusammen – hahahaha!«
    »Euphrosyne,« sagte Melanie gutmütig, »ist ein sehr liebes, braves Mädchen, und wenn sie kleine Eigenheiten hat, dürfen wir die recht gern, ihrer anderen vortrefflichen Eigenschaften wegen, übersehen oder müssen sie doch wenigstens milde beurteilen. Sie spricht zum Beispiel nie ein böses oder gehässiges Wort über einen andern hinter dessen Rücken, und das ist doch gewiß schon viel wert.«
    »Weil sie unsere Schwächen nicht sieht,« lachte Fräulein von Zahbern, »ihr Auge hängt ja immer an den Wolken und ihren Idealen. Bei Zühbigs hat sie neulich geschwärmt, daß mir Amelie versicherte, es sei gar nicht mehr zum Aushalten gewesen. – Apropos, Zühbig, der Intendant, ist gestern von seiner nordischen Reise, wie er es nennt, zurückgekehrt und hat eine ganze Tasche voll Neuigkeiten mitgebracht.«
    »Das läßt sich denken,« lächelte Melanie, »und er ist jetzt gewiß recht in seinem Element.«
    »Er hat auch eine Entdeckung gemacht.«
    »Wirklich? – einen

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