Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
auf noch mehr Dunkelheit frei.
Er wusste, dass der erleuchtete Raum, den Burton gesehen hatte, irgendwo zu seiner Rechten im hinteren Teil des Hauses lag, also wandte er sich nach links, weg von der Gefahr, und kroch mit der Hand an der Wand durch etwas, das er für einen Flur hielt.
Einige Augenblicke später ertasteten seine Finger eine weitere Tür. Er öffnete sie. Noch mehr Finsternis lag dahinter.
›Weitergehen‹, sagte er sich und lief an diesem Raum vorbei zum nächsten. Er war verschlossen, doch der darauffolgende war es nicht, und als er die Tür aufschob, sah er auf der gegenüberliegenden Seite ein schwach erleuchtetes Rechteck. Er durchquerte den Raum, und die nackten Dielen knarrten unter seinen Tritten, bis er vor einem verhangenen Fenster stand. Ein Ruck ließ den Vorhang zu einem staubigen Haufen zu seinen Füßen zusammenfallen. Kurz blendete ihn das Mondlicht. Er blinzelte und sah an sich herunter: Er war vollkommen schwarz.
Wie Burton gesagt hatte, war das Fenster, wenn auch das Glas blind vor Staub war, stabil, und es erweckte den Eindruck, als hätte man es erst vor relativ kurzer Zeit eingesetzt. Das harte Holz wies keinerlei Wurmlöcher auf, und die kunstvoll verzierten Fenstergriffe wirkten modern. Einige Minuten lang widerstanden sie Swinburnes Bemühungen, doch dann ertönte ein Klicken und er konnte das Fenster aufschieben und hindurchklettern. Er sprang zu Boden und rannte an der Seite des Gebäudes entlang, bis er die Eingangstreppe erreichte. Ein Schatten kauerte unter einem der Greife.
»Algy?«
»Hier lang, Richard!«
Er führte Burton zurück zum Fenster, und gemeinsam begaben sie sich ins Innere von Darkening Towers.
Burton zog seine aufziehbare Laterne aus der Tasche und erweckte sie zum Leben. Ihr Licht kroch über schmutzige Wände, beleuchtete die abblätternde Tapete, den zersprungenen Putz und ein altes, schief an der Wand hängendes Portrait. Möbelstücke standen unter Schutzlaken an der Wand.
Burton dunkelte das Licht der Laterne ab, indem er sie in seinen Mantel steckte, ging hinüber zur Tür und trat in den Flur. Swinburne folgte ihm auf den Fersen. Bis auf eine Spur schwarzer Fußabdrücke, die hinter der dritten Tür vor ihnen verschwanden, war der Flur dick mit Staub bedeckt. Sie ließen die Tür hinter sich und drangen in verschlungene Zimmerfluchten vor, die sich mit einer offensichtlichen Abneigung für logische Ordnung durch das Herrenhaus wanden.
Schweigend gingen sie vorwärts und lauschten auf jedes Geräusch, während sie Spinnweben fortwischten und vorsichtig über die Trümmer aus eingestürzten Wänden, herabgefallenem Deckenputz und Bruchstücken zerfallener Möbel stiegen.
»Warte!«, zischte Burton plötzlich. Er drehte an seiner Laterne und löschte die Flamme.
Vor ihnen lag ein schwacher Schimmer.
»Bleib hier, Algy. Ich bin gleich wieder da.«
»Sei vorsichtig, Richard!«
Burton schlich durch den Flur, bis er eine Abzweigung erreichte. Vor ihm weitete sich der Korridor mit einem Mal beträchtlich und war frei von Staub und Schutt. Zu seiner Linken führte ein kurzer Durchgang zu einer breiten Flügeltür mit eingelassenen Glasscheiben, durch die Licht fiel. Sie gaben den Blick auf einen Ballsaal frei. Riesige Kronleuchter hingen an der Decke, und eine Galerie ein Stockwerk weiter oben lief einmal um den Saal herum. Eine klobige Maschine stand in Sichtweite, und Burton erkannte sie aus Swinburnes Erzählungen: Isambard Kingdom Brunel. Er konnte das erstickte Läuten von Glocken hören – Brunel unterhielt sich offenbar mit jemandem.
Der Agent des Königs kehrte zu seinem Freund zurück.
»Sie sind hier, Algy, im Ballsaal. Oben im Raum gibt es eineGalerie. Ich werde mal nachsehen, wie man dort hinaufkommt. Deine Hilfe war unschätzbar, aber deine Arbeit hier ist jetzt vorbei. Ich möchte, dass du die Laterne nimmst, unseren Spuren zurück folgst, aus dem Fenster kletterst und zu Detective Inspector Trounce läufst.«
»Nein, Richard, ich komme mit dir!«, erwiderte Swinburne trotzig.
»Ich verbiete es, Algy! Wenn du mein Assistent sein willst, musst du lernen, Befehlen zu gehorchen.«
»Dein Assistent, Richard? Bietest du mir wirklich einen Job an?«
»Wenn du die erforderliche Selbstdisziplin aufbringen kannst, ja. Ich denke, du hast Qualitäten, die mir eine große Hilfe wären. Mehr noch, ich denke, du wirst von der Erfahrung profitieren. Aber wie ich bereits sagte: Befehlen zu gehorchen ist fraglos eine Grundvoraussetzung
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