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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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irgendwo zwischen diesen beiden Lagern und waren weder so verträumt-idealistisch wie die eine Fraktion noch so skandalös-ausschweifend wie andere.
    Was Sir Richard Francis Burton betraf, so war er sich nicht sicher, wo er hingehörte. Auch wenn er in England geboren war, hatte er sich hier niemals ganz zu Hause gefühlt, wahrscheinlich weil seine rastlosen Eltern ihn den Großteil seiner Kindheit über durch ganz Europa geschleppt hatten. Daher überraschte es ihn doch, als er von der Nil-Expedition zurückkehrte und feststellte, dass ihm der gegenwärtige Zustand der sozialen Instabilität desLandes in gewisser Weise zusagte. Die rasanten Veränderungen, in der Hauptstadt mit noch größerer Intensität spürbar als anderswo, mochten den Großteil der Bevölkerung überfordern, doch er selbst hatte seine eigene Identität schon immer eher als vorübergehende und veränderliche Angelegenheit betrachtet und verspürte nun eine seltsame Art der Empathie für das sich wandelnde Wesen der britischen Kultur.
    Während er lief, wurde er sich allmählich eines klopfenden Geräusches irgendwo über ihm bewusst und bemerkte, dass es ihn – mit kurzen Unterbrechungen – schon begleitete, seit er den Klub verlassen hatte. Er blickte nach oben und sah sich um, entdeckte aber nichts.
    Lauschend setzte er seinen Heimweg fort. Ja, da war es wieder. Wurde er verfolgt? Er sah hinter sich, aber nichts deutete auf eine Verfolgung hin, bis sich ihm in einiger Entfernung ein Polizist anschloss, alarmiert vom martialischen Aussehen des einsamen, offensichtlich ziemlich angesäuselten Mannes. Nach etwa fünf Minuten kam der Wachmann etwas näher an Burton heran, erkannte, dass er gekleidet war wie ein Gentleman, hielt kurz inne und ließ schließlich von ihm ab.
    Der Entdecker überquerte die Charing Cross Road und betrat eine lange, schlecht beleuchtete Seitenstraße. Unabsichtlich trat er gegen eine weggeworfene Flasche, die mit klangvollem Klirren im Rinnstein verschwand. Etwas Großes flatterte über ihn hinweg, und er sah gerade noch rechtzeitig auf, um einen riesigen Schwan aus den Zuchtställen der Eugeniker vorbeifliegen zu sehen, der hinter sich einen Kastendrachen durch den Nebel zog. Ein helles menschliches Gesicht – ein undeutlicher Schemen – blickte vom Drachen hinunter, bevor dieser über den Dächern verschwand. Ein schwacher Ruf erreichte Burtons Ohren, doch was auch immer der Mann gerufen hatte, wurde durch die nebelschwere Luft erstickt.
    Letztes Jahr hatten Speke und Grand dasselbe Fortbewegungsmittel genutzt, um den Nyanza über die bekannte Route zu erreichen. Sie hatten nur einen Bruchteil der Zeit benötigt, die Burtons Expedition unterwegs gewesen war. Sie hatten ihr Lager in Kazeh aufgeschlagen, einem kleinen Dorf etwa hundertfünfzig Meilen südlich des großen Sees, und hier war John Speke Opfer einer seiner typischen Fehleinschätzungen geworden, als er es versäumte, die Vögel anständig bewachen und von den Löwen fressen zu lassen. Ohne sie konnte er den See nicht umrunden, demnach nicht sicher klären, ob er die Quelle des großen Flusses war und Burtons Forschung schlussendlich nicht widerlegen.
    Ein paar Meter vor ihm trat ein Mann aus dem Schatten einer Türöffnung. Eine grobschlächtige Gestalt, gekleidet in Leinenhemd und -hose mit einer rostfleckigen Weste und einer Stoffmütze. Rote Brandnarben zierten sein Gesicht und die muskulösen Unterarme, verursacht durch das stundenlange Schüren einer Esse.
    »Kann ich helfen, Kamerad?«, knurrte er. »Dich vielleicht ums Kleingeld erleichtern, das dir die Taschen schwer macht?«
    Burton sah ihn an.
    Der Mann trat so plötzlich zurück, dass er mit den Fersen an die Türschwelle prallte und sich prompt auf den Hosenboden setzte.
    »Tschuldigung, Genosse«, murmelte er. »Hab dich mit wem verwechselt, ehrlich!«
    Der Entdecker schnaubte verächtlich und ging weiter. Er betrat ein Labyrinth aus schmalen Gassen, dunkel, gefährlich und heruntergekommen, ein düsterer Ausläufer der Armut, die sich weit aus dem East End ins Stadtzentrum erstreckte. Trostlose Fenster starrten blind aus den Mauern verwahrloster Häuser. Aus einigen drangen undeutliche Rufe, manchmal das dumpfe Geräusch von Schlägen, Schreien und Weinen, doch aus den meisten drang nur hoffnungslose Stille.
    Ihm fiel auf, dass die Tiefen Londons den abgelegensten Regionen Afrikas erstaunlich ähnlich waren.
    Er kam an eine Kreuzung, wandte sich nach links, rutschte aus, stolperte und

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