Der kurze Sommer der Anarchie
gebaut, dunkelhaarig; sein Blick war starr und durchdringend, sein Auftreten bestimmt und ungezwungen. Bei aller Energie hatten seine Gesten etwas Kindliches. Er wirkte massig und muskulös. Er war sonnenverbrannt. Seine Hände waren groß und sehnig. Ein zutrauliches, gutmütiges Lächeln lag ständig auf seinen Lippen. Daß er sich so einfach und natürlich gab, das machte ihn auf den ersten Blick sympathisch. Seine Stimme war ernst und eindringlich. Sein Haar war gekräuselt und ganz schwarz, sein Mund groß und fleischig, die Brust wirkte gewaltig, die Gebärden ruhig, heiter und ausdrucksvoll. Sein Gang war eher langsam, aber so, als wäre er schwer aufzuhalten. Er machte den Eindruck eines typischen Sohnes der Hochebene von Kastilien.
Ariel
Viele unserer Leute sahen sich gern porträtiert und interviewt; sie konnten gar nicht oft genug in die Zeitung kommen. Durruti hatte dazu keine Lust. Er wünschte keinerlei Publizität für seine Person. Er haßte theatralische Auftritte.
In Madrid gab er sich so nüchtern wie eh und je. »Diese Mützen und diese Lederjacken«, sagte er, »lassen wir jetzt für alle meine Leute machen. Wir tragen alle dieselben Kleider. Bei uns geht es brüderlich zu, da wird kein Unterschied gemacht.«
Er lächelte sein Kinderlächeln und zeigte seine großen weißen Zähne wie ein zutraulicher Wolf.
»Ich bin gekommen, um Waffen für die Genossen in Aragon zu besorgen. Wenn die Regierung uns gibt, was wir brauchen, dann nehmen wir Zaragoza innerhalb von ein paar Tagen ein. Es ist ja nicht so, daß keine Waffen da wären. Ich kenne Leute, die uns so viele Waffen anbieten, wie wir nur wollen. Sie haben nur einen kleinen Wunsch: sie wollen in Gold bezahlt werden. Diese Bourgeois kennen keine menschliche Regung, wenn es ums Geld geht. Doch unsere Regierung hat Gold in Massen. Und wozu das ganze Gold? Um den Krieg zu gewinnen? Das behaupten sie immer. Jetzt wollen wir doch einmal sehen, ob sie die Wahrheit sagen. Morgen gehen wir auf das Kriegsministerium und verhandeln. Ich werde ihnen sagen, woher wir Waffen bekommen können, wenn sie nur dafür zahlen. Wozu brauchen wir sonst das ganze Gold, das in der Bank von Spanien herumliegt?«
Zum Essen gingen wir in ein Restaurant an der Gran Via, das von der Gewerkschaft der Gastronomen geführt wurde. Es war eine einfache Mahlzeit. Durruti erzählte von den Kämpfen in Barcelona und an der Aragon-Front. Er lachte viel und schien sorglos in die Zukunft zu blicken.
Nach dem Essen gingen wir ins Kriegsministerium, wo Durruti mit Largo Caballero sprach; später empfing ihn Indalecio Prieto im Marineministerium. Die Regierung setzte seinerzeit große Hoffnungen in die russischen Hilfslieferungen. Largo Caballero galt damals noch als der »spanische Lenin«. Durruti war von den Verhandlungen enttäuscht. Er wurde gut aufgenommen, man machte ihm Versprechungen und nannte allerlei Gründe für die mangelnde Bewaffnung der Anarchisten. Aber es blieb alles beim alten. Die Zusagen erwiesen sich bald als leere Worte.
Ariel
Largo Caballero, der diese Episode bestätigen kann, rief Durruti eines Tages nach Madrid, um ihm in seinem neuen Kabinett, in das auch die Anarchisten eintraten, einen Ministerposten anzubieten. Durruti hatte Caballero nie zuvor gesehen; er wußte nicht einmal, wie er aussah. Als ich ihn fragte, welchen Eindruck das Gespräch bei ihm hinterlassen habe, antwortete er mir: »Ich erwartete, einen Vierzigjährigen zu treffen, und sah mich plötzlich einem alten Mann gegenüber. Ich hatte ihn immer für einen ganz gewöhnlichen Politiker gehalten; aber er war in seinen Überzeugungen so fest, daß er mir beinahe Furcht eingejagt hätte.«
Durruti hat den Ministerposten ausgeschlagen. Er hielt seine Anwesenheit in der vordersten Linie für wichtiger. Und es ist wahr, daß er an der Front unersetzlich blieb. Seine Kolonne hing fanatisch an ihm, und sie gehorchte ihm blindlings.
Antonio de la Villa
In dem Moment, in dem alles dafür spricht, daß wir unfähig sind, Krieg zu führen, anzugreifen, ja sogar uns zu verteidigen, in einem Augenblick, da wir dabei sind, über unsere Niederlagen den Kopf zu verlieren, kommt Buenaventura Durruti nach Madrid. Das ganze Prestige einiger Kolonnen steht hinter ihm, die niemals zurückgewichen sind, sondern umgekehrt ein Terrain von mehreren hundert Quadratkilometern in Aragon erobert haben. Dieser Gegensatz hat uns veranlaßt, ihn um ein Interview zu bitten.
Durruti sprach zuerst über eine Frage, die
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