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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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den Instruktionen, die sie aus Moskau erreichten; die Interessen der spanischen Arbeiter spielten dabei keine Rolle. Die Führung der CNT-FAI war der Situation, in der sie sich im Herbst 1936 fand, in keiner Weise gewachsen. Von der faschistischen Offensive einerseits und von der Konterrevolution im eigenen Lager andererseits in die Zange genommen, konnte sie an den schlichten, hergebrachten Prinzipien der anarchistischen Lehre nicht mehr ohne Abstriche festhalten. Sie ist vor den Realitäten Schritt für Schritt zurückgewichen. Es ist ein alter Fehler der Anarchisten, daß sie das eigentlich politische Medium, nämlich die Vermittlung zwischen Prinzipientreue und taktischer Notwendigkeit, beharrlich ignorieren. Das zeigte sich auch in diesem Fall. Einmal vom »richtigen Pfad« der revolutionären Unmittelbarkeit abgewichen, gab es kein Halten mehr. Die Konzessionen der CNT-FAI an ihre politischen Gegner im eigenen Lager wurden zur katastrophalen Deroute. Ihre Prinzipienfestigkeit schlug in einen grenzenlosen Opportunismus um. In wenigen Monaten zerrann den anarchistischen Führern die revolutionäre Substanz ihrer Massenbewegung unter den Fingern. Einige Stadien dieses galoppierenden Prozesses lassen sich angeben.
8. September 1936: Der CNT-Führer Juan Lopez kündigt in Valencia der Zentralregierung von Madrid die Mitwirkung der Anarchisten und ihre Unterstützung für das Regierungsprogramm an.
26. September 1936: Die CNT akzeptiert drei unbedeutende Ministerposten in der Regionalregierung von Katalonien.
1. Oktober 1936: Die CNT stimmt der Auflösung des Zentralkomitees der Milizen zu.
9. Oktober 1936: In Katalonien werden alle lokalen Räte und Komitees per Dekret aufgelöst; die CNT erklärt sich mit diesem Schritt einverstanden.
Anfang Dezember 1936: In Madrid kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen CNT-Trupps und Einheiten der Kommunistischen Partei.
4. Dezember 1936: Eintritt der CNT in die Zentralregierung von Madrid. Die Anarchisten lassen sich mit Ministerposten zweiten Ranges abspeisen (Justiz, Gesundheit, Handel und Industrie); reale Machtpositionen gewinnen sie nicht.
15. Dezember 1936: Der Oberste Sicherheitsrat zentralisiert die Politische Polizei.
17. Dezember 1936: Die Moskauer Prawda veröffentlicht einen Leitartikel, in dem es heißt: »In Katalonien hat die Säuberung von Trotzkisten und Anarcho-Syndikalisten bereits begonnen; sie wird mit derselben Energie wie in der Sowjetunion durchgeführt werden.«
24. Dezember 1936: In Madrid wird das Tragen von Waffen verboten.
Ende Dezember 1936: Die Kommunistische Partei beginnt ihre Kampagne gegen die POUM.
Februar/März 1937: Zwischen der Führung der CNT-FAI und ihrer Basis kommt es zu schweren Differenzen. Die revolutionäre Opposition innerhalb der anarchistischen Bewegung gründet eine eigene Kampfgruppe innerhalb der CNT, die »Freunde Durrutis«.
In den letzten Apriltagen des Jahres 1937 werden Absichten der Regierung bekannt, die Arbeiter von Barcelona zu entwaffnen und das Gewaltmonopol der Polizei wiederherzustellen. Damit beginnt der letzte Akt des Dramas der CNT-FAI, die »blutige Mai-Woche von Barcelona«. Es kommt zu ersten Gefechten. Arbeiter und Polizei versuchen sich gegenseitig zu entwaffnen. Am 3. Mai beginnen die offenen Straßenkämpfe. Bewaffnete Kommunisten überfallen die Telephon-Zentrale, die sich in der Hand der CNT befindet. Ohne irgendeinen Aufruf abzuwarten, treten daraufhin die Arbeiter von ganz Barcelona in den Generalstreik. Barrikaden werden aufgeworfen, die wichtigsten Punkte der Stadt von Arbeitern besetzt. Die Führung der CNT wiegelt ab. Die Zentralregierung entsendet fünftausend Mann Bereitschaftspolizei, die am 7. Mai in Barcelona einmarschieren.
Die bis auf den heutigen Tag letzte offen revolutionäre Bewegung der spanischen Arbeiterklasse wird niedergeschlagen; dabei gibt es über fünfhundert Tote. Die CNT erklärt: »Wir können nichts anderes tun, als die Ereignisse abwarten und uns ihnen auf die bestmögliche Art und Weise anpassen.« (Garcia Oliver)
Damit war dem spanischen Anarchismus das Rückgrat gebrochen; die CNT führte fortan nur noch ein Schattendasein und sah ohnmächtig zu, wie die Reste der spanischen Revolution liquidiert wurden. Die FAl wurde noch im Mai zur illegalen Körperschaft erklärt. Der kommunistische Minister Uribe verlangte ein Verbot der POUM und löste damit eine Regierungskrise in Madrid aus; Largo Caballero wurde gestürzt, weil er den Kommunisten zu links schien; an

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