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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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und Frieden zuliebe Stalin die deutschen und die chinesischen Arbeiter der faschistischen Barbarei ausgeliefert hat. Wir wollen die Revolution machen, hier in Spanien, und zwar nicht nach dem nächsten europäischen Krieg, sondern jetzt, in diesem Augenblick. Wir machen Hitler und Mussolini heute mehr Kopfzerbrechen mit unserer Revolution als die ganze Rote Armee. Mit unserm Beispiel zeigen wir der deutschen und der italienischen Arbeiterklasse, wie man mit dem Faschismus umgehen muß. Ich erwarte von keiner Regierung der Welt irgendeine Unterstützung für eine Revolution des freiheitlichen Kommunismus. Viel leicht werden die Widerspruche innerhalb des imperialistischen Lagers Folgen für unseren Kampf haben. Das ist durchaus möglich. Franco tut sein Bestes, um ganz Europa in den Konflikt hineinzuziehen. Er wird nicht zögern, die Deutschen gegen uns vorzuschicken. Aber wir erwarten Hilfe von niemandem, letzten Endes nicht einmal von unserer eigenen Regierung.
Van F‘aasen: Aber wenn Sie siegen, werden Sie auf einem Trümmerhaufen sitzen.
Durruti: Wir haben seit jeher in Hütten und Löchern gewohnt. Wir werden uns auch noch eine Zeitlang darin einzurichten wissen. Aber vergessen Sie nicht, daß wir auch bauen können. Wir sind es nämlich, die all diese Paläste und Städte gebaut haben, in Spanien, in Amerika und überall auf der Welt. Wir, die Arbeiter, können neue an ihre Stelle setzen. Neue und bessere. Wir fürchten die Trümmer nicht. Die Erde wird unser Erbe sein, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel. Soll die Bourgeoisie ihre Welt in Stücke sprengen, bevor sie von der Bühne der Geschichte abtritt. Wir tragen eine neue Welt in uns, und diese Welt wächst mit jedem Augenblick heran. Sie wächst, während ich mit Ihnen rede.
    Buenaventura Durruti 2

Die Etappe
    Die neue Stadt
    Barcelona, 5. August. Friedliche Ankunft. Keine Taxis am Bahnhof, dafür alte Pferdedroschken, die uns ins Zentrum bringen. Auf dem Paseo de Colon wenige Leute. Doch dann kam, als wir in die Ramblas, die Hauptstraße von Barcelona, einbogen, die große Überraschung: mit einem Schlag hatten wir die Revolution vor Augen. Es war überwältigend. Es war, als wären wir auf einem neuen Kontinent gelandet. Nie zuvor hatte ich etwas Derartiges gesehen.
Der erste Eindruck: bewaffnete Arbeiter in Zivil, mit geschulter tem Gewehr. Etwa jeder dritte Mann auf den Ramblas trug ein Gewehr, obwohl keine Polizei und keine regulären Soldaten in Uniform zu sehen waren. Waffen, Waffen und nochmals Waffen. Sehr wenige dieser bewaffneten Proletarier trugen die gutaussehende neue dunkelblaue Uniform der Milizen. Sie saßen auf den Bänken oder spazierten die Mitte der Ramblas auf und ab, das Gewehr über der rechten Schulter, und oft ihr Mädchen am linken Arm. Sie bildeten Patrouillen, um die Randbezirke der Stadt zu bewachen; sie standen Posten vor den Eingängen der Hotels, der Verwaltungsstellen und der Kaufhäuser. Sie hockten hinter den wenigen Barrikaden, die noch standen und die aus Steinen und Sandsäcken tadellos errichtet worden waren. Sie fuhren mit Vollgas zahllose elegante Autos, die sie enteignet und mit den Initialen ihrer Organisationen in weißen Lettern beschriftet hatten: CNT-FAI, UGT, PSUC, POUM, oder auch mit all diesen Buchstaben auf einmal. Manche Wagen trugen einfach die Aufschrift UHP (Vereint euch, proletarische Brüder! - !Uniaos, hermanos proletarios!), die ruhmreiche Losung des asturischen Aufstandes von 1934. Daß alle diese Bewaffneten in ihren Alltagskleidern spazierengingen, marschierten, Auto fuhren, machte die Machtdemonstration der Fabrikarbeiter nur noch eindrucksvoller. Die Anarchisten, kenntlich an ihren schwarz-roten Abzeichen und Insignien, waren in der überwältigenden Mehrzahl. Und nirgends die geringste Spur der »Bourgeoisie«! Keine gutgekleideten jungen Damen und modebewußten Senoritos auf den Ramblas! Nicht einmal Hüte waren mehr zu sehen, nur Arbeiter und Arbeiterin nen. Die Regierung hatte die Leute gewarnt, Hüte zu tragen; das könne »bürgerlich« wirken und einen schlechten Eindruck machen. Die Ramblas sind nicht weniger farbenfroh als früher.
Das macht die Vielfalt der blauen, roten, schwarzen Abzeichen, der Halstücher, der buntscheckigen Uniformen der Miliz. Aber was für ein Gegensatz zu der einstigen Farbenpracht der reichen Katalaninnen, die früher hier promenierten!
    Franz Borkenau

    Man möchte kaum glauben, daß Barcelona die Hauptstadt eines Gebietes ist, in dem Bürgerkrieg

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