Der kurze Sommer der Anarchie
mit zwei Spitzen ist erst später aufgetaucht: rot und schwarz bei den Anarchisten, rot bei Sozialisten und Kommunisten, blau bei der katalanischen Esquerra. Der blaue Overall der Mechaniker wurde zu einer Art von Uniform. Als Offiziere, wenn man sie überhaupt so nennen konnte, fungierten die führenden Leute der politischen Gruppen, denen die bewaffneten Proletarier das gleiche Vertrauen schenkten wie früher bei den Streiks und auf den Versammlungen. Auch ihnen fehlte es natürlich an militärischer Ausbildung; sie waren nicht einmal mit dem ABC der Heerestaktik vertraut. Die Kunst, Schützengräben und Drahtverhaue anzulegen, Handgranaten einzusetzen und Deckung zu suchen, lernten die Milizen erst im Lauf des Krieges. Ihre Instrukteure waren oft ausländische Revolutionäre mit Weltkriegserfahrung. Sie kamen in wachsender Zahl nach Spanien, um für die Weltrevolution und gegen den Faschismus zu kämpfen.
Eine Strategie für die militärischen Operationen gab es anfangs überhaupt nicht. Die Arbeiter waren nur mit dem Straßenkampf und der Taktik der Barrikaden vertraut. Erst mit der Zeit lernten sie, daß ein Steinhaufen keinen Schutz gegen moderne Waffen bietet. Nur bei der Verteidigung eines Ortes fühlten sie sich in ihrem Element, besonders, wenn es ihr eigenes Dorf war. Sie kannten die Notwendigkeit, Truppen zu verschieben und eine mobile Taktik zu entfalten, noch nicht aus Erfahrung. Hauptquartiere, Generalstäbe, Fernmeldenetze gab es nicht. Jede Kolonne kümmerte sich um ihren eigenen Troß. Wenn sie Munition oder Proviant brauchte, sandte sie ein paar Delegierte nach Barcelona, um das Nötige zu holen. Es versteht sich von selbst, daß diese Truppen zunächst alle nur denkbaren Fehler machten. Nächtliche Angriffe wurden mit Hochrufen auf die Revolution eingeleitet, die Geschütze wurden oft auf der vordersten Infanterielinie in Stellung gebracht. Zuweilen kam es zu grotesken Zwischenfällen. So hat mir ein Milizionär erzählt, wie einmal eine ganze Einheit nach dem Mittagessen in den nächsten Weinberg ging, um Trauben zu essen; als sie zurückkehrten, fanden sie ihre Stellung vom Gegner besetzt. Dennoch hat diese Freiwilligenarmee die Faschisten, deren Kerntruppe fast die gesamte reguläre Armee Spaniens ausmachte, aufgehalten und halb Aragon erobert.
H. E Kaminski
Die ersten Freiwilligen kamen Anfang August aus Frankreich. Es waren französische und italienische Anarchisten. Sie waren über die Pyrenäen nach Barcelona gekommen, um an den Kämpfen gegen den internationalen Faschismus teilzunehmen. Sie reihten sich in die spanischen Einheiten ein und kämpften an der aragonischen Front. Bald folgten größere Scharen italienischer Antifaschisten aller Richtungen: Anarchisten, Sozialisten, Syndikalisten und Liberale.
Die italienischen Freiwilligen bildeten die Brigade Garibaldi. Diese Brigade machte sich im Kampfe um Huesca besonders verdient. Zahlreiche italienische Anarchisten und liberale Sozialisten haben ihr Leben bei diesen Kämpfen lassen müssen. Im September 1936 bildete sich die Kolonne »Sacco und Vanzetti«, die aus internationalen Kämpfern bestand. Sie schloß sich den von Durruti befehligten Einheiten an. Die Gesamtzahl dieser internationalen Milizionäre dürfte kaum 3000 überstiegen haben. Von ihnen war im Ausland wenig bekannt. Sie unterstanden nicht den von den Kommunisten organisierten Internationalen Brigaden. Die Anarcho-Syndikalisten hatten übrigens kein Interesse daran, ausländische Kämpfer ins Land zu ziehen. An Leuten fehlte es ihnen nicht; sie hatten in ihren Gewerkschaften genügend Kampfer. Ähnlich war es bei der sozialistischen UGT. Was beiden fehlte, waren Waffen.
Anders lag die Situation bei der Kommunistischen Partei.
Die Kommunisten hatten in Spanien so wenige Anhänger, daß sie im ganzen Lande kaum mehr als zwei oder drei Kolonnen hätten zusammenstellen können. Sie hatten daher ein Interesse daran, mit Hilfe der kommunistischen Parteien des Auslandes ihre Kampfeinheiten und ihren Einfluß zu stärken. In den ersten drei Monaten nach dem 19. Juli befand sich Katalonien gänzlich in den Händen der Anarcho-Syndikalisten, und die katalonisch-französische Grenze wurde von der FAI bewacht. Die FAI-Leute ließen ihre eigenen ausländischen Gesinnungsgenossen hinein, hatten aber Bedenken, die Grenze für die zahlreichen Kommunisten zu öffnen. Der Organisator der antifaschistischen Miliz Kataloniens war der Anarchist Garcia Oliver, später Justizminister in der
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