Der kurze Sommer der Anarchie
Regierung Largo Caballeros. Oliver gab den Befehl, die Grenze für die Freiwilligen aus dem Ausland vollständig zu sperren.
Augustin Souchy 2
Zwang und starre Disziplin sind in den Milizen fast überflüssig. Jeder weiß, wofür er kämpft. Es geht nicht, wie in den imperialistischen Kriegen, gegen einen unbekannten, sozusagen objektiven Feind, sondern um einen Gegner, den die Arbeiter und Bauern kennen und hassen. Außerdem wissen sie, daß die Faschisten weder Verwundete noch Gefangene schonen und daß es keine Möglichkeit des Aufgebens oder des Kompromisses gibt. Dieser politischen Armee geht es im Bürgerkrieg nicht um die Verteidigung abstrakter Werte, die Eroberung von Provinzen, nicht um Kolonien oder imperiale Verkehrswege, sondern um Leib und Leben jedes einzelnen. Der Feind, das sind die Militärs, die Mitglieder der faschistischen Organisationen und die Kapitalisten. Für sie gibt es keine Gnade. Dagegen kommen die gefangenen Mannschaften meist ungeschoren davon; man hält ihnen zugute, daß sie mißbraucht und gepreßt worden sind. Das ist in der Tat oft der Fall. Es ist nicht selten, daß die Offiziere der Gegenseite und die Falangisten sich mit der Pistole in der Hand hinter ihre eigenen Truppen stellen, um sie zum Sturm zu zwingen. Dennoch tauchen alle Tage Deserteure und Überläufer auf, die erklären, sie wollten in den Reihen der Miliz kämpfen. Deshalb spielt auch die Propaganda eine so große Rolle, auch und gerade in vorderster Linie. Der Bürgerkrieg hat seine eigenen Gesetze.
H. E. Kaminski
Im Herbst fuhr ich mit Emma Goldman, der bekannten amerikanischen Anarchistin, von Barcelona aus zu Durruti an die Front. Er hatte damals etwa neuntausend Mann unter seinem Befehl, er war sozusagen ein anarchistischer General. Aber dieses Wort ist nie gefallen. Er sagte uns: »Ich bin mein ganzes Leben lang Anarchist gewesen, und jetzt soll ich meine Leute mit dem Knüppel zur Disziplin zwingen? Das werde ich nicht tun. Ich weiß, daß Disziplin im Krieg notwendig ist, aber es muß eine innere Disziplin sein, die aus dem Ziel hervorgeht, für das man kämpft.« Und darin unterscheidet er sich von allen Generälen der Welt. Er lebte mit seinen Leuten, er schlief auf dem gleichen Stroh, er ging in Hanfschuhen wie die andern auch, er aß das gleiche Essen. Und seine Leute sagten: Das ist einer von uns. Ein Truppenführer, der aus einer Militärakademie hervorgegangen ist, hätte das nie zuwege gebracht, eine ganze Division ohne militärischen Zwang zu führen. Aber Durruti war eben kein Berufsoffizier, sondern ein Mechaniker.
Augustin Souchy 1
Eine Gruppe von jungen Milizionären, die zu Durrutis Kolonne gehörte, war davongelaufen und wollte nach Barcelona zurückkehren. Durruti traf sie unterwegs, stoppte sein Auto, stieg aus und trat ihnen mit gezogener Pistole entgegen. Er stellte sie mit dem Gesicht an die Wand. Ein anderer Milizsoldat, der zufällig dabei war, bat ihn um ein Paar Schuhe. »Schau dir nur an, was diese da für Schuhe tragen. Wenn sie etwas taugen, kannst du dir gleich ein Paar aussuchen. Wozu sollen wir ihre Schuhe beerdigen, nur damit sie verfaulen?« Natürlich hat Durruti die Deserteure nicht wirklich erschossen.
Er pflegte immer zu sagen: »Hier wird niemand gezwungen zu bleiben. Wer Angst hat, kann verschwinden, wohin er will.«
Aber meistens genügte es, wenn er mit denen, die nach Hause gehen wollten, ein kräftiges Wort sprach, und sie baten ihn, an die Front zurückkehren zu dürfen.
Espana Libre
Das sowjetische Exempel: zwei Fassungen eines Briefs
CNT-FAI, Antifaschistische Milizen, Kolonne Durruti, Hauptquartier.
An das Proletariat der Sowjetunion.
Genossen, ich ergreife diese Gelegenheit, um euch brüderliche Grüße von der Aragon-Front zu senden, an der Tausende eurer Brüder, so wie ihr vor zwanzig Jahren, für die Befreiung unserer Klasse kämpfen, die jahrhundertelang unterdrückt und gedemütigt worden ist. Vor zwanzig Jahren haben die Arbeiter Rußlands die rote Fahne, das Sinnbild der internationalen Brüderschaft aller Arbeiter, im Osten aufgerichtet. Ihr habt damals eure Hoffnung auf die internationale Arbeiterklasse gesetzt und erwartet, daß sie euch bei dem großen Werk, das ihr begonnen habt, zu Hilfe kommen würde. Die Arbeiter der Welt haben euch nicht verraten, sondern sie haben euch geholfen, soweit es in ihrer Kraft stand.
Heute wird im Westen eine neue Revolution geboren, und wieder wird die Fahne entfaltet, die für unser gemeinsames und
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