Der Kuss der Göttin (German Edition)
versuche, die Schuldgefühle zu unterdrücken. Aber ich kann nicht die Heldin sein, für die sie mich halten! Ich weiß nichts über dieses Virus!
»Nein«, sagt Sammi leise. »Das kann ich nicht.« Dann zeigt sie auf meinen Kopf. »Aber sie können es. Die Hunderte von Frauen in dir, Hunderte von Frauen, die ihn lieben. Und sie werden stärker und lauter werden, bis du den Tag verfluchst, an dem du nicht in Logans Arme gelaufen bist, als du die Chance dazu hattest. Das ist ganz einfach die Realität. Glaubst du, du seist die erste Erdgebundene, die ein eigenes Leben hatte, bevor ihre Erinnerungen erwachten? Die Leute, die ich gesehen habe, die Tagebücher, die ich gelesen habe – du kannst nicht dagegen ankämpfen, Tave. Und bis du das gemerkt hast, wirst du tot sein, der Großteil der Menschheit wird ausgerottet sein, und es wird zu spät sein. Denk bitte gut darüber nach.«
Ich starre sie trotzig an, und sie starrt zurück: ihr Blick aus Wut und Angst scharf wie ein Rasiermesser.
Sie lügt nicht – zumindest sagt sie, was sie für die Wahrheit hält.
Doch die Wahrheit liegt, genau wie die Schönheit, im Auge des Betrachters.
»Tavia.« Bensons Stimme ist leise und schwach, aber sie vibriert mitten in meiner Brust. »Vielleicht hat sie recht.«
»Nein, Benson, hat sie nicht!« Ich drehe mich zu ihm um, und er nimmt mein Gesicht in seine Hände, hält meine Wangen, sein Gesicht ist nur Zentimeter von meinem entfernt.
»Ich bleibe, so lange du willst«, sagt er in einem Flüsterton, der nur für mich bestimmt ist. »Aber dieses Virus wird die Welt vernichten. Und wenn du der Schlüssel dazu bist, es zu stoppen – dann musst du diese Chance ergreifen. Wenn sie recht hat, wirst du diese Entscheidung eines Tages bereuen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, und … Ich weiß nicht, ob ich damit klarkommen würde.«
»Ich glaube nicht, dass sie recht hat«, widerspreche ich. »Ich weiß gar nichts! Und ich glaube auch nicht, dass Rebecca etwas weiß.«
»Ist es das Risiko wert?«
»Ja«, beharre ich, und ich mache mir nicht die Mühe zu flüstern – es ist mir egal, ob sie es hören. »Benson, jeder Mensch, den ich je in meinem Leben geliebt habe, wurde mir entweder durch den Tod oder durch Verrat entrissen«, sage ich und zeige zu den Menschen, die ich als Reese und Jay lieben gelernt hatte. »Die Chance, meinen eigenen Herzenswunsch zu erfüllen und mit dem Menschen zusammen zu sein, den ich will, ist es wert .« Das ist meine Wahrheit; er ist meine Wahrheit.
Sammi blinzelt, ausnahmsweise ist sie ruhig. »Tavia, ich wollte das eigentlich nicht auch noch auf den Tisch bringen, aber du musst dich mit deinem Partner wiedervereinigen«, sagt sie rundheraus. »Oder ihr werdet beide sterben. Für immer.«
»Wovon sprichst du?«, will ich wissen. Ich trete mit erhobenem Kinn vor. »Ich bin eine Erdgebundene. Meine Seele ist unsterblich und für alle Zeit an diese Erde gebunden.« Wieder Rebeccas Stimme . Ich schiebe sie nicht weg; sie weiß, wovon sie spricht.
»Das haben wir Tausende von Jahren geglaubt«, erwidert Sammi. »Aber dank eines Reduciata-Erdgebundenen, der vor ein paar Jahrzehnten zu uns gekommen ist, haben wir herausgefunden, dass es nicht ganz stimmt. Wir haben versucht, es unter Verschluss zu halten, aber du musst die Wahrheit hören.«
Ich fühle mich wacklig und muss mich an Bensons Brust lehnen, um aufrecht zu bleiben. Wenn ich mich auch nicht an alle meine Leben erinnern kann – eigentlich sogar an keines meiner Leben –, spüre ich ein Fundament der Wahrheit, das Tausende, vielleicht Millionen Jahre zurückreicht, dass es immer einen nächsten Tag geben wird, ein weiteres Leben, noch eine Chance, es besser zu machen, besser zu sein. Allein der Hinweis, dass diese Wahrheit in Gefahr sein könnte, erschüttert mich bis ins Mark. »Meine Existenz hängt von der Wahl meines Freundes ab?«, blaffe ich, und meine Stimme trieft vor Unglauben.
Sammi schaut mich seltsam an, während Elizabeth vortritt. »Du erinnerst dich nicht, warum du ihn finden musst, oder?«
Ich habe Angst zu antworten, vor ihnen dumm und unselbstständig zu wirken. »Es geht hier nicht um Liebe, Tave. Es geht um Leben und Tod – deinen Fluch.«
»Weil ich Menschen geschaffen habe?«, frage ich zitternd.
Elizabeth nickt. »Du weißt, dass die Dinge, die du erschaffst, in ungefähr fünf Minuten verschwinden? Wenn du wieder mit Quinn in Verbindung bist, werden sie bleiben.«
»Was eigentlich der am wenigsten wichtige
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