Der Kuss der Göttin (German Edition)
mehr aufgeflammt ist. Ich könnte diese Gefühle selbst dann nicht einfach ersticken, wenn ich wollte.
Und jetzt will ich ihm von Quinn erzählen? Was tue ich da nur?
Aber ich platze fast angesichts dieser neuen Enthüllung – er ha t einen Namen und er will mich wiedersehen! Und wem könnte ich es sonst erzählen? Ich werde bestimmt nicht – schon wieder – um acht Uhr abends meine Therapeutin anrufen.
Ich versuche, nicht an seine anderen Worte zu denken. Ich bin nicht derjenige, den du fürchten solltest . Ich habe den ganzen Tag in Angst verbracht. Im Moment will ich ein paar Minuten, vielleicht eine Stunde, einfach glücklich sein.
Nachdem ich mich wegen einer vergessenen Aufgabe im Haushalt bei Reese herausgeredet habe, bringe ich sie dazu, mir ihr Auto zu leihen, um zur Bibliothek fahren zu können. Ich habe weniger als eine halbe Stunde, bevor sie schließt. Als ich dort bin, parke ich und gehe hinein, so schnell es mein schmerzendes Bein zulässt, und suche nach Benson. Mir ist egal, wenn er es nicht versteht. Ich höre ihm seit zwei Monaten zu, wie er praktisch Sonette über Dana McCraven verfasst, und komme damit klar; dann kann er mir jetzt auch mal zuhören.
Es ist besser so , sage ich mir. Jetzt haben wir beide jemanden . Aber der Gedanke hinterlässt ein seltsam schales Gefühl.
Er lehnt über dem Schalter und spricht leise mit Marie. Mein Herz macht einen komischen Satz, als mein Blick ihn von Kopf bis Fuß abtastet – und den Augenblick nutzt, bevor er merkt, dass ich da bin. Er trägt immer noch den weichen grauen Pullunder über dem hellgrünen Hemd, aber jetzt sind die Ärmel aufgekrempelt, was seine Unterarme betont. Während ich ihn beobachte, schiebt er sich die Brille ein Stück höher und schneidet Marie eine Grimasse.
Er sieht total heimisch aus zwischen all diesen Stapeln von Büchern.
Und charmant.
Ich schlucke und erinnere mich an den Grund, warum ich hier bin.
Sobald Benson mich sieht, schließt er den Mund, und ich schnappe einen seltsam melancholischen Ausdruck in seinen Augen auf, bevor sein schiefes Lächeln ihn ausradiert. Ich muss daran denken, dass er sich Sorgen um mich macht. Dass ich ihm jetzt sogar noch mehr Gründe gebe, sich Sorgen um mich zu machen. Benson ist so beständig, so abgeklärt, da fällt es schwer, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass er einer dieser Typen ist, deren emotionale dunkle Wasser tief sind.
Ich gehe hinüber und versuche, den Augenkontakt mit Marie zu meiden, bevor sie mich zwitschernd begrüßen und anfangen kann, mich zu fragen, wie mein Tag war. Ich habe heute keine Zeit für sie.
»Hi, Marie«, werfe ich ihr kurz hin, ohne sie direkt anzuschauen, dann wende ich mich Benson zu. »Ich brauche unbedingt dieses Buch hier, bevor die Bücherei schließt. Es ist hinten, ja?«, füge ich bedeutungsvoll hinzu.
»Ja, ich zeige es dir«, sagt Benson und beäugt mich zweifelnd. Er legt mir die Hand auf die Schulter und führt mich ans andere Ende der Bibliothek, wo keiner ist – nicht dass hier nicht sowieso nur noch eine Handvoll Leute wären. Und die meisten von ihnen sind Zehn- oder Zwölfjährige, die sich um die Computer scharen.
Ich gehe – nachdem ich mich versichert habe, dass keiner in der Nähe ist – bis zur Mitte eines schattigen Gangs und streiche mit den Fingern an den verschiedensten Buchrücken entlang: an eher neueren Taschenbüchern, an brüchigen alten gebundenen. Ich glaube nicht, dass die Bibliothek ihre Bücher je aussortiert. Kein Einziges. Über uns hängt eine einzelne Glühbirne und erleuchtet Staubpartikel, die von einem Heizkörper aufsteigen und in der Luft herumwirbeln.
Jetzt, wo die Nervosität nachlässt, fühle ich mich ein bisschen flatterig und versuche, mein Unbehagen zu überspielen, indem ich meinen Labello aus der Hosentasche ziehe und neu auftrage.
»Oh, hey, das erinnert mich an etwas«, sagt Benson und kramt in seiner eigenen Hosentasche. »Ich habe daran gedacht, deinen anderen mitzubringen.«
Ich schaue zu Benson auf. »Was?«
»Deinen Labello. Ich habe ihn in meinem Auto gefunden, nachdem ich dich neulich nach Hause gefahren hatte. Ich habe ihn dir mitgebracht. Jetzt hast du zwei.« Er hält mir einen Labello mit Kirschgeschmack hin, identisch mit dem in meiner Hand, und grinst. »Nimm zwei.«
»Ist nicht meiner. Ich muss mir einen neuen kaufen, habe ich aber noch nicht.« Ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Muss einer deiner Freundinnen gehören«, füge ich hinzu und
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