Der Kuss der Göttin (German Edition)
muss es sehen.
Wenn Benson sie sieht, bin ich nicht verrückt.
Oder zumindest halluziniere ich nicht.
Ich fasse wieder in meine Tasche und schaue Benson in die Augen, als ich noch einen Labello herausziehe und ihn zu den anderen drei lege, die er bereits in den Händen hält.
Vier. Ich versuche es noch einmal.
Fünf.
Sechs.
Ich will nicht, dass sie mein Gehirn noch einmal aufschneiden.
»Du machst mir Angst«, sagt Benson, und sein Blick bohrt sich in meinen.
»Psst!« Ich lege den Finger an die Lippen. »Schau hin.«
»Tave …«
»Schau. Einfach. Hin«, beharre ich.
Der Ernst in meiner Stimme dringt schließlich zu ihm durch, und er hält den Blick skeptisch auf mein halbes Dutzend Lippenstifte geheftet, als warte er darauf, dass ich auf ihn zuspringe und schreie: »Hab dich!«
Ich wünschte, es wäre so einfach.
Ein paar Minuten sind vergangen und meine Augen sind schon müde vom Starren auf die Labellos. Benson holt Luft, und ich kann praktisch fühlen, wie er sich bereit macht, etwas zu sagen, als der mittlere Labello verschwindet.
Benson schnappt nach Luft und macht vor Schreck einen Satz. Dabei überrennt er mich fast und lässt die Labellos fallen. Sie rollen über den Teppich. »Scheiße, was ist das denn?«
»Psssssst!«, befehle ich flüsternd, halte ihm die Hand vor den Mund und trete näher an ihn heran.
Ganz nahe.
Ich blicke auf, unsere Gesichter sind nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, und meine Brust gefriert. Meine Hand sinkt langsam herab, bis nur noch ein Finger auf seiner Unterlippe ruht. Sie fühlt sich weich an meinen Fingerspitzen an. Ein ferner Teil von mir hört Bensons Atem, der ungleichmäßig geht und schneller wird, und sein Blick brennt sich in meinen.
Ich weiß nicht genau, wer den ersten Schritt macht oder wie es passiert bei allem, was hier sonst noch vor sich geht, aber einen Augenblick später packen meine Finger seine Haare, ziehen sein Gesicht zu mir herunter, seine Hand in meinem Nacken zieht mich herauf und neigt meinen Mund zu seinem. Seine Lippen berühren meine – suchend, fordernd, einnehmend.
Aber wie können sie nehmen, was ich schon wild und stürmisch gebe?
Sein ganzer Körper zittert, als er einen Schritt nach vorn macht, sich an mich drückt, mich zwischen seiner Wärme und dem Bücherregal gefangen nimmt. Die Kanten der Bücher graben sich in meinen Rücken, als sich unsere Körper treffen, aneinanderdrücken, ineinander verschlingen. Ich umklammere den weichen Stoff von Bensons Pullunder und meine Finger graben sich in seine Rippen direkt darunter. Seine Hände sind immer noch in meinem Nacken, an meinem Kopf – Finger schlängeln sich durch meine Haare, als er seinen Mund fester auf meinen presst –, aber dass sein Körper so gut und bequem an meinen passt, fühlt sich auf seine eigene Art auch wie ein Kuss an.
Ich reiße meinen Mund fort, um nach Luft zu schnappen, kehre aber sofort zu seinen Lippen zurück. Ich brauche mehr von ihm. Er ächzt leise, und das bringt mich dazu, ihn noch fester halten zu wollen, ihn noch inniger zu küssen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert – ewig und doch nicht annähernd lange genug –, bevor Benson den Kopf zurückwirft und einen langen Seufzer ausstößt. Seine Hände rahmen mein Gesicht ein, und er lehnt die Stirn an meine, während wir beide nach Luft ringen. Sein Atem ist heiß auf meinen Lippen, und wenn ich atme, riecht es nach ihm.
Etwas in mir weiß, dass jetzt alles anders ist.
Besser? Ich hoffe es.
»Ist das die Stelle, an der ich mich entschuldigen sollte?«, fragt Benson, und seine Stimme ist so leise, so schwach, dass ich fast schon wieder weinen muss.
»Tut es dir denn leid?«, flüstere ich. Und ich weiß nicht, was ich hören will.
»Überhaupt nicht«, sagt er; sein Flüstern ist beinahe unhörbar.
Eine seltsame Freude erfüllt mich und diesmal ist sie nicht überwältigend. Sie ist ruhig. Beinahe friedlich. »Dann entschuldige dich nicht.«
Doch er richtet sich auf, seine Hände gleiten von mir ab, um sich in seine Hüften zu stemmen, und er schaut auf das Bücherregal direkt links neben mir. »Der Zeitpunkt war schlecht, du hast geweint und ich … ich hätte, nein, ich hätte nicht …«
»Benson«, unterbreche ich ihn. »Es ist okay.«
»Es ist nicht okay, ich wollte nicht …«
»Benson«, sage ich, diesmal fester. Ich trete vor, lasse die Hände an seinen Armen herabgleiten, zwinge ihn, die Fäuste von den Hüften zu lösen und verschränke meine Finger mit
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