Der Kuss der Göttin (German Edition)
vergessen. Trotzdem ist es jetzt unüberhörbar: Tu etwas .
Aber was?
Mach etwas , wird mir schließlich klar, als ich den unbekannten Drang genauer bestimmen kann. Aber ich weise die Möglichkeit von mir. Nein. Keine Chance.
Ich ducke mich in den Eingang eines bunten Süßigkeitengeschäfts und hoffe, den Sonnenbrillentypen so vielleicht loszuwerden. Nach ungefähr einer Minute kommt ein sehr großer Mann aus der Richtung, in die ich gegangen bin, an der Tür vorbei, und ich beschließe, direkt hinter ihm zu gehen und ihn als menschlichen Schild zu benutzen. Ich werde ihm bis zum Ende des Blocks folgen und dann durch eine andere Straße zurückgehen.
Ich schinde Zeit, indem ich vorgebe, mit dem Reißverschluss meines Rucksacks zu kämpfen, dann biege ich so dicht hinter ihm ein, dass ich ihm fast auf die Fersen trete. Sogar mit gesenktem Kopf und so, wie er sich den Mantel um den Körper zieht, als wäre er müde – oder vielleicht krank –, ist der Mann riesig und gibt mir das Gefühl, in Sicherheit und verborgen zu sein.
Bis er flackert.
Genau wie die Frau an dem Tag, als ich gegen die Wand gerannt bin.
Ich schnappe hörbar nach Luft, schaffe es jedoch, weiterzugehen. Ich schaue mich um, aber niemand sonst scheint es bemerkt zu haben. Dann sehe ich wieder den großen Mann an, dessen Rücken breit und solide ist. Er verbirgt mich immer noch.
Ich blinzle, konzentriere mich auf ihn, warte, dass es noch einmal passiert.
Aber ich erwarte nicht, dass er komplett verschwindet.
Ich bleibe stehen, und jemand stößt frontal gegen mich, sodass ich vorwärtstaumle.
»Pass doch auf!«, sagt die Frau und schaut sich kaum zu mir um, als sie und ihr Freund einen Bogen machen und weitergehen.
Ich wirble herum. Niemand sonst bleibt stehen.
Sie haben ihn nicht verschwinden sehen? Aber er war wirklich groß – und jetzt ist es, als sei er nie hier gewesen. Als sei er mit einem Wimpernschlag verschwunden.
Ich umklammere meine Rucksackgurte fester, drehe mich wieder nach vorn und versuche, gleichmäßig weiterzugehen – ich muss zu Benson , denke ich. Er wird mir helfen . Der gesunde Menschenverstand durchbricht meine Panik, und ich beginne zu zählen, damit mich mein Hinken nicht verrät.
Eins, zwei, drei, vier. Eins, zwei, drei, vier.
Meinen Verfolger habe ich total aus dem Blick verloren, und ich wage es nicht, mich zur Kontrolle umzusehen.
Ich bin noch ungefähr zwei Blocks von der Bibliothek entfernt, als der Himmel aufreißt und es richtig zu schütten beginnt. »Na, wundervoll«, murmle ich vor mich hin. »Einfach fantastisch.«
Innerhalb von Sekunden bin ich klatschnass – als wolle mich die Welt ernsthaft ärgern –, aber ich kann die Bibliothek jetzt sehen, und sie erscheint mir wie ein Zufluchtsort. Ich weiß, das ist sie eigentlich nicht – der Sonnenbrillentyp kann auch hineingehen.
Aber Benson ist da drin und bei ihm fühle ich mich sicher.
Angstschweiß rinnt mir den Rücken hinab, als ich die Treppe erreiche, während das Adrenalin meine Schritte befeuert. Ich ziehe zu fest an der Tür, und sie scheppert gegen die Wand, was mir die Blicke aller Bibliotheksbesucher in Hörweite einbringt.
Na, super.
Ich bin bis auf die Knochen durchweicht, als ich den warmen Vorraum betrete, und wünsche mir, ich sähe nicht ganz so heruntergekommen aus. Benson ist an meiner Seite, bevor ich mehr als ungefähr drei Schritte gemacht habe, und ich möchte ihm am liebsten um den Hals fallen, mich an seine Brust drücken, bis das Zittern aufhört.
Der Impuls lässt mich erstarren. Ich sollte nicht solches Verlangen nach Benson haben – vor allem nicht, nachdem ich Quinn erst diesen Vormittag gesehen habe, Quinn, der schuld daran ist, wenn meine Brust sehnsüchtig schmerzt und mein Verstand sich vor Glückseligkeit im Kreis dreht.
Warum habe ich es dann?
Ich weiß es nicht. Aber ich komme immer wieder auf das Brennen von Bensons Lippen auf meinen zurück, auf die besitzergreifende Art, wie er seine Arme um mich legt, wie warm es sich angefühlt hat, seinen Körper an mich zu drücken. Ich blicke zu ihm auf und weiß, dass dieses Gefühl in meinen Augen schimmert. Doch ich bringe nicht die Energie auf, es zu verbergen.
»Alles klar?«, fragt er besorgt. »Harter Morgen?«
Sag es niemandem . »So könnte man es umschreiben«, murmle ich.
Die Eingangstür geht auf und an Bensons Schulter vorbei erhasche ich gerade noch einen Blick auf dunkle Haare. Ich mache einen halben Schritt nach rechts, um Bensons
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