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Der Kuss der Göttin (German Edition)

Der Kuss der Göttin (German Edition)

Titel: Der Kuss der Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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schreckhaftes Kaninchen. Er sieht fast so erschöpft aus wie ich – als sei er in der letzten Woche fünf Jahre gealtert.
    Ich halte inne und schaue ihn einen Moment mit meinem Künstlerblick an. Ich frage mich, ob ich auch so aussehe, ob Reese deshalb so besorgt war. Sieht man es in meinem Gesicht genauso wie in Bensons? Wenn ja, dann kann ich es nicht verbergen.
    »Benson«, flüstere ich sanft, aber bestimmt. Er setzt sich, doch in seinen Augen steht immer noch dieser gehetzte Blick. Ich bewege mich langsam, öffne zuerst alle Knöpfe vorn und lege sein weißes T-Shirt darunter frei. Dann rolle ich den linken Ärmel herunter; der rechte ist schon bis zum Ellbogen aufgerissen.
    »Jetzt kann ich weitermachen«, sagt er, aber ich bringe ihn mit einem festen Blick zum Schweigen, und er bleibt zahm, als ich vorsichtig den nassen Stoff abstreife und den Saum seines T-Shirts anhebe, um nachzuschauen.
    »Oh, Benson«, flüstere ich. Sein ganzer Oberkörper ist mit dunklen Prellungen übersät, die ungefähr so schlimm aussehen wie die an meiner Hüfte. »Dreh dich um!«, sage ich, aber er packt den Saum seines T-Shirts und steht breitbeinig und schweigend da.
    Ich gebe auf. Wenn sein Rücken auch nur halb so schlimm aussieht wie seine Brust, weiß ich nicht, ob ich ihn überhaupt sehen will. »Bist du sicher, dass keine Rippe gebrochen ist?«, frage ich, entsetzt über die Prügel, die er einstecken musste.
    Weil er mich nicht verraten wollte.
    »Ich bin mir über gar nichts mehr sicher«, sagt er mit leiser, rauer Stimme.
    Langsam greife ich nach seinem Kinn und drehe seinen Kopf nach beiden Seiten, um ihn zu mustern. Er schließt die Augen, und ich beiße mir auf die Unterlippe, als ich die Platzwunde an seinem Wangenknochen sehe und einen Kratzer, den ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Er zieht sich bis zum Haaransatz hinauf, wahrscheinlich von dem verbogenen Bügel seiner Brille. »Ben«, murmle ich, und unter seinen geschlossenen Lidern löst sich eine einzelne Träne und zieht eine Spur über seine Wange. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, ohne mich an ihn zu lehnen, und küsse sie fort; das Salz schmeckt bitter auf meinen Lippen, und ich koche innerlich über den Menschen, der meinem Benson so etwas angetan hat.
    Dann kauere ich mich hin, und mir wird klar, wie sehr diese Sache Benson zugesetzt hat, als er sich unaufgefordert aufs Bett setzt und mich seine Schuhe aufknoten lässt. Er protestiert kurz, als ich anfange, ihm die Socken von den Füßen zu ziehen, aber er wehrt sich nicht groß.
    Als ich nach seiner Hose greife, atmet er hörbar ein. »Nur den Knopf«, sage ich aus meiner gebeugten Haltung neben seiner Schulter, »dann kannst du duschen gehen.«
    Er nickt, und nachdem ich ihm vorsichtig die Hose geöffnet habe, stütze ich ihn an seinem unverletzt aussehenden Ellbogen und helfe ihm auf. Er unterdrückt ein Stöhnen und schlurft ins Bad.
    Ich starre lange auf die geschlossene Tür. Die Schuldgefühle kochen in mir hoch, erfüllen mich mit beißender Scham. Wenn ich nicht wäre, wäre Benson gar nicht hier und hätte keine Schmerzen. Ich kann mich nicht herausreden; es ist meine Schuld.
    Ich liege hilflos auf dem Bett und höre durch die dünne Wand, wie Benson unter die Dusche und dann wieder heraussteigt. Der Hotelföhn geht an und läuft und läuft, und ich frage mich, ob er wirklich etwas damit tut oder nur versucht, seine leisen Schmerzenslaute zu übertönen. Fast eine halbe Stunde vergeht, bis Benson frisch geduscht die Tür öffnet und jetzt schon ein bisschen besser aussieht.
    Nicht mehr ganz so angeschlagen.
    »Du bist immer noch wach?«, fragt er, ohne mich anzusehen und hinter der Tür versteckt, sodass nur Kopf und Schultern sichtbar sind. Seine nassen Haare sehen dunkler aus und sind frisch gekämmt, aber nicht gestylt, was ihn jünger aussehen lässt.
    »Ich warte auf dich«, sage ich vom Bett aus und frage mich, woher ich den Mut habe. Ich drehe die Finger umeinander und weiß nicht recht, ob ich eher vor Furcht trunken bin oder aus Vorfreude.
    Benson errötet, als er das Badezimmerlicht ausschaltet und hinter der Tür hervorkommt. Jetzt verstehe ich und muss ein kleines Lächeln unterdrücken. Im Gegensatz zu mir hat er keine sauberen Kleider – er trägt sein T-Shirt und eine Boxershorts, wahrscheinlich frisch getrocknet dank dem Föhn.
    »Es tut mir leid, dass es nur ein Bett gibt«, murmelt er, immer noch, ohne mich anzusehen. »Ich hatte keine Zeit, es mir anzuschauen. Ich

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