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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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schob Johannes in den Stamm, dann ließ er die Ranken über die Höhle fallen und rannte wie der Teufel davon. Sie klammerten sich so eng aneinander, dass sie den rasenden Herzschlag des anderen spüren konnten. Im Baum roch es nach faulendem Holz.
    »Ich habe sie gehört!«, rief eine kehlige Stimme. Erschreckend nah schnaubte ein Pferd.
    »Verdammt, sie können nicht weit sein! Es sei denn, sie sind auf die Hauptstraße ausgewichen.«
    Mitjas Stimme ertönte. Er sang.
    »He, Mitja!«, sagte die erste Stimme freundlich. Natürlich, es waren Grenadiere – Mitja brachte ihnen Glück. »Gib es zu – du hast sie dir geschnappt!«
    »Immer und niemals«, antwortete Mitja.
    »Na, dann zeig uns mal, wo du die zwei versteckt hast!«
    Die zweite Stimme lachte.
    »Im Baum stecken sie«, sagte Mitja ernsthaft. »Die Arme hängen ihnen aus dem Maul – und aus den Augen fließt der Fluss.«
    Die erste Stimme lachte. »Danke, Mitja. Eine große Hilfe bist du.« Und barscher fügte der Soldat hinzu: »He, Dima – zur Hauptstraße, los! Die haben uns gerochen, ich sag’s dir doch!«
    Hufschlag verklang. Johannes spürte Schmerz an seinen Armen und begriff erst langsam, dass er von Jelenas Händen rührte, die ihn immer noch umklammerten. Die Ranken raschelten, dann erschien Mitjas besorgtes Gesicht. Ohne ein Wort packte er Jelena und zerrte sie aus dem Stamm. Auch Johannes, der mit seinen langen Beinen nicht mit einem Satz aus dem Stamm herauskam, half er.
    »Glück gehabt«, sagte Jelena und strahlte den Narren an. »Danke, Mitja!«
    Der Narr brummte, drehte sich um und lief voraus. Endlich kamen die ersten abgeholzten Bäume in Sicht, frische Spuren von Hufen und Zugwerken fanden sich zwischen den Bäumen. Sie hatten den äußersten Ring erreicht, bis zu dem die Arbeiten für die Stadt vorangeschritten waren. Aus weiter Ferne trug der Wind ein paar Rufe zu ihnen herüber. Mit zittrigen Beinen blieben sie stehen, schwach und ausgezehrt nach den Tagen dieser nassen Wanderung. Die tiefe Rille vor ihnen, die ein Baumstamm, der über den Waldboden geschleift worden war, in den Boden gegraben hatte, war mit Wasser gefüllt. In Sankt Petersburg würden einige der Behausungen, die auf Meereshöhe lagen, vom Regen bereits überschwemmt sein.
    »Dort geht es zum Fluss«, erklärte Jelena und deutete nach Norden. »In einer Stunde können wir dort sein.«
    »Wenn nicht Derejews Leute schon warten.«
    Sie zögerten. Nach einer langen Pause räusperte sich Jelena. »Gut. Wir haben Angst. Na und? Wir können von südöstlicher Richtung zum Fluss gehen – weitab von der Stadt, newaaufwärts. Ich werde dort die Russalka rufen.«
    Johannes dachte an Onkel Michael. Die Sorge nahm ihm fast den Atem.
    Jelena sah ihn mit ernsten Augen an. »Brehmow, du musst nicht mitgehen. Du machst dir Sorgen um Marfa und die anderen. Also geh in die Stadt und lass mich zum Ufer gehen. Es ist … meine Geschichte.«
    »Jetzt ist es auch meine«, gab er ungehalten zurück. Warum schaffte sie es so mühelos, ihn wütend zu machen? »Wir gehen beide«, beharrte er. »Was glaubst du, was ich bin – dein Zeitvertreib und Diener?«
    »Russalka!«, sagte Mitja.
    »Ja«, erwiderte Jelena und strich sich erschöpft über die Augen. »Dorthin müssen wir.«
    Die Hand des Narren schoss vor und packte das Mädchen beim Unterarm. »Nein. Neineinein.«
    »Was heißt das?«
    Mitjas Stimme wurde leise und weinerlich wie die eines Kindes. Er begann den Oberkörper zu wiegen, als wollte er sich selbst in den Schlaf singen. »Katzen schlafen in den Wellen, das weiße Mädchen flieht, die Zwillingsschwester ist tot.«
    »Welche Zwillingsschwester?«
    »Natascha, die Katze«, sang der Narr. »Katzen und Spatzen liegen in einem Nest. Der Mann, der träumt, trägt den Pflock.« Bei den letzten Worten hatte er ein Stück Holz aus seiner Tasche gezogen und tippte Jelena damit an die rechte Schulter. »Der Mann trägt den Pflock!«, flüsterte er eindringlicher.
    »Zeig her!«, bat Johannes. Mitja gab ihm das Holzstück.
    Johannes sah es an und erstarrte. »Das hat Iwan gemacht.« Das Begreifen kam langsam, aber dann mit voller Wucht. Er hielt die kleine Madonnenstatue, die derjenigen ähnelte, die Iwan ihm geschenkt hatte, vor Jelenas Gesicht. »Onkel Michael«, sagte er. »Der Mann, der träumt, ist mein Onkel. Michael soll des Mordes an Natascha angeklagt werden!«
    Mitja begann zu weinen. Jelena war noch blasser geworden. Sie legte den Arm um den Narren. »Haben sie

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