Der Kuß der Schlange
Aber inzwischen hatten wir eine Tochter bekommen, also konnte ich gar nichts daran ändern. Wahrscheinlich hätte ich weiter so dahingelebt und das Beste daraus gemacht, wenn ich nicht Angela auf einer Büroparty kennengelernt hätte. Als ich mich in sie verliebte und wußte, daß – nun, daß das, was ich für sie empfand, erwidert wurde, da bat ich meine Frau um die Scheidung. Eileen – das ist meine erste Frau – machte mir furchtbare Szenen. Sie zog meine Mutter mit hinein, und sogar Rosemary, unsere elfjährige Tochter. Ich kann Ihnen gar nicht schildern, wie mein Leben damals war, und ich versuch’s auch nicht.«
»Das war vor fünf Jahren?«
»Vor etwa fünf Jahren, ja. Schließlich zog ich zu Hause aus und lebte mit Angela zusammen. Sie hatte ein Zimmer in Earls Court, und sie arbeitete in der Bibliothek der National Archaeologists’ League.« Obwohl Hathall behauptet hatte, er könne sein damaliges Leben gar nicht schildern, tat er nun genau das. »Eileen setzte eine – eine wahre Verfolgungsjagd in Gang. Sie machte Szenen in meinem Büro und an Angelas Arbeitsstelle. Sie kam sogar nach Earls Court. Ich bettelte sie um die Scheidung an. Angela hatte eine gute Stellung, und ich kam auch zurecht. Ich dachte, ich könnte es schaffen, alle Forderungen von Eileen zu erfüllen. Am Ende stimmte sie zu, aber mittlerweile hatte mich Butler wegen Eileens Szenen gefeuert, einfach gefeuert! Das war eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und um das Unglück vollzumachen, mußte Angela die Bibliothek verlassen. Sie war am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Ich kriegte einen Teilzeitjob als Buchhalter bei einem Spielzeughersteller, der Firma Kidd and Co. in Toxborough, und Angela und ich fanden ein Zimmer dort in der Nähe. Wir waren völlig am Ende. Angela konnte nicht arbeiten. Der Scheidungsrichter sprach Eileen mein Haus und das Sorgerecht für meine Tochter zu und obendrein einen ungerecht hohen Anteil meines mehr als bescheidenen Einkommens. Dann hatten wir endlich mal ein bißchen Glück. Angela hatte hier unten einen Vetter – Mark Somerset heißt er –, der überließ uns Bury Cottage. Das Haus hatte seinem Vater gehört, aber natürlich war keine Rede davon, daß wir es mietfrei kriegten – so weit trieb er seine Großzügigkeit nicht, obwohl er doch ein Blutsverwandter war. Und ich kann auch nicht behaupten, daß er sonst je etwas für uns tat. Und er hat sich danach auch nicht um Angela gekümmert, dabei hat er doch gewußt, wie einsam sie war.
So ging das ungefähr drei Jahre lang. Wir lebten buchstäblich von etwa fünfzehn Pfund die Woche. Ich zahlte immer noch die Hypothek eines Hauses ab, in das ich seit vier Jahren keinen Fuß mehr gesetzt habe. Meine Mutter und meine erste Frau haben meine Tochter gegen mich aufgehetzt. Was nützt ein Urteil, das dem Vater einen angemessenen Zugang zu seinem Kind zusichert, wenn das Kind einen gar nicht sehen will? Sie wollten doch etwas über mein Privatleben wissen. Bitte schön, so war das. Nichts als Sorgen und Schwierigkeiten. Angela war der einzige Lichtblick bei alledem, und jetzt – jetzt ist sie tot.«
Da Wexford glaubte, daß – mit gewissen Ausnahmen – ein Mensch nur dann ständige und akute Verfolgung erleidet, wenn irgend etwas Masochistisches in seiner psychologischen Struktur diese Verfolgung geradezu herausfordert, schürzte er die Lippen. »Dieser Mann, dieser Somerset, ist der je zu Ihnen nach Bury Cottage gekommen?«
»Nie. Er führte uns herum und zeigte uns alles, als er es uns anbot, aber danach sahen wir ihn nie wieder, außer bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße in Myringham. Es war, als hätte er eine völlig unbegründete Abneigung gegen Angela gefaßt.«
So viele Menschen hatten sie nicht gemocht, hatten etwas gegen sie gehabt, dachte Wexford. Sie schien genauso zu Wahnvorstellungen geneigt zu haben wie ihr Mann. Im allgemeinen stoßen nette Leute selten auf Abneigung. Und eine regelrechte allseitige Verschwörung des Hasses, wie Hathall sie andeutete, ist in jedem Fall sehr unwahrscheinlich.
»Sie sagen, das war eine unbegründete Abneigung, Mr. Hathall. Und die Abneigung Ihrer Mutter, war die genauso unbegründet?«
»Meine Mutter hängt an Eileen. Sie ist eben altmodisch und engstirnig, und sie war gegen Angela voreingenommen, weil die, wie sie es nennt, mich Eileen weggenommen hat. Es ist doch kompletter Unsinn, zu behaupten, eine Frau könne einer anderen den Ehemann stehlen, wenn er… na ja, wenn er nicht
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