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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Antwort darauf.«

5
    Obwohl Wexford so tat, als studiere er die Liste der fehlenden Gegenstände – ein Armband, ein paar Ringe und eine goldene Halskette –, die Hathall ihm gebracht hatte, beobachtete er in Wirklichkeit den Mann. Er war mit gesenktem Kopf in sein Büro getreten, und jetzt saß er schweigend da, die Hände im Schoß gefaltet. Aber die Kombination von rötlicher Haut und schwarzem Haar verleiht einem Menschen ein wütendes Aussehen. Hathall wirkte denn auch trotz seines Schmerzes wütend und grimmig. Seine harten, kantigen Züge sahen aus wie aus rotem Granit gehauen, die Hände waren groß und rot, und selbst seine Augen waren, wenn auch nicht gerade blutunterlaufen, so doch rötlich schimmernd. Wexford hätte nie gedacht, daß er auf Frauen anziehend wirkte, und doch war er zweimal verheiratet gewesen. War es vielleicht so, daß bestimmte Frauen, sehr feminine oder nervöse und lebensuntüchtige Frauen ihn als einen Felsen betrachteten, an den sie sich klammern, ein Bollwerk, wo sie Schutz finden konnten? Möglicherweise deuteten seine Farben ebenso auf Leidenschaftlichkeit und Hartnäckigkeit und Kraft hin wie auch auf Jähzorn.
    Wexford legte die Liste auf den Schreibtisch und fragte aufblickend: »Was, glauben Sie, hat sich gestern nachmittag in Ihrem Haus abgespielt, Mr. Hathall?«
    »Das fragen Sie mich?«
    »Vermutlich kannten doch Sie Ihre Frau besser als sonst jemand. Sie könnten doch wissen, wer vielleicht bei ihr vorbeigekommen ist, oder wen sie mit nach Hause genommen haben könnte.«
    Hathall runzelte die Stirn, und dieses Stirnrunzeln verfinsterte das ganze Gesicht. »Ich habe Ihnen schon gesagt, da ist ein Mann ins Haus gekommen, um zu stehlen. Er hat die Sachen auf der Liste dort genommen, und als meine Frau ihn überraschte, da … da hat er sie umgebracht. Anders kann es doch gar nicht gewesen sein? Das ist doch völlig klar.«
    »Das glaube ich nicht. Derjenige, der in Ihr Haus kam, hat die ganze Wohnung saubergewischt und so eine beträchtliche Anzahl von Fingerabdrücken beseitigt. Ein Dieb hätte das nicht nötig gehabt, der hätte Handschuhe getragen. Und er hätte Ihre Frau vielleicht zusammengeschlagen, erdrosselt hätte er sie nicht. Außerdem ersehe ich aus der Liste, daß Sie den Wert der verschwundenen Sachen insgesamt auf weniger als fünfzig Pfund schätzen. Zugegeben, Menschen haben schon für weniger gemordet, aber ich bezweifle, daß je eine Frau aus diesem Grund erdrosselt worden ist.«
    Als Wexford das Wort ›erdrosselt‹ wiederholte, senkte Hathall erneut den Kopf. »Welche Erklärung gäbe es denn sonst?« fragte er gepreßt.
    »Erzählen Sie mir, wer Sie in Ihrem Haus besucht hat. Was für Freundinnen oder Bekannte kamen zu Ihrer Frau?«
    »Wir hatten keine Freunde«, sagte Hathall. »Als wir hierherzogen, waren wir arme Schlucker. Man braucht Geld, um an einem Ort wie diesem Freunde zu gewinnen. Wir hatten nicht das Geld, um in Clubs einzutreten oder Dinnerpartys zu geben oder auch nur Leute auf einen Drink einzuladen. Angela hat oft von Sonntag abend bis zum Freitag abend keine Seele gesehen. Und die Freunde, die ich hatte, ehe ich sie heiratete – na ja, da hat meine erste Frau dafür gesorgt, daß ich sie loswurde.« Er hustete ungeduldig und warf seinen Kopf auf dieselbe Art zurück, wie seine Mutter es getan hatte. »Wissen Sie, ich glaube, am besten erzähle ich Ihnen kurz, was Angela und ich durchgemacht haben, dann begreifen Sie vielleicht, daß all dies Gerede von Freunden und Besuchern reiner Unsinn ist.«
    »Ja, gut, Mr. Hathall.«
    »Es wird die Geschichte meines Lebens sein.« Hathall gab ein humorlos bellendes Lachen von sich. Es war das bittere Lachen des Paranoikers. »Ich fing an als Laufbursche in einer Wirtschaftsprüferpraxis, bei Craig and Butler in der Gray’s Inn Road. Später, als ich dort Büroangestellter war, wollte der Seniorpartner, daß ich eine Fachausbildung machte, und überredete mich, meine Zulassungsprüfung abzulegen. In der Zwischenzeit hatte ich geheiratet, und ich kaufte auf Hypotheken ein Haus in Croydon. Das Extrageld kam mir deshalb sehr gelegen.« Wieder blickte er mit wehleidiger Miene auf. »Bis heute hat es nie eine Zeit gegeben, wo ich genug Geld zum Leben hatte, und jetzt, wo ich es habe, nützt es mir nichts.
    Meine erste Ehe war nicht glücklich, auch wenn meine Mutter es nicht wahrhaben will. Ich habe vor siebzehn Jahren geheiratet, und nach zwei Jahren wußte ich, daß ich einen Fehler gemacht hatte.

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