Der Kuß der Schlange
begegnete, oder aber er hat sie kennengelernt, als seine Ehe etwa drei Jahre alt war. Es besteht doch kein Zweifel, daß er in Angela sehr verliebt war – jeder bezeugt das. Ist es also wahrscheinlich, daß er während des Anfangsstadiums seiner Ehe ein neues Verhältnis angefangen hat?«
»Nein, das sehe ich ein. Muß es denn jemand sein, den er bei der Arbeit kennengelernt hat? Warum nicht jemand aus seinem Bekanntenkreis oder auch die Frau eines Freundes?«
»Weil es so aussieht, als ob er überhaupt keine Freunde hatte, und das ist ja auch ganz erklärlich. Während seiner ersten Ehe hatten er und seine Frau – wie ich es mir vorstelle – Kontakt mit anderen Ehepaaren. Aber du weißt ja, wie es so geht, Howard. In diesen Fällen sind doch die Freunde eines Ehepaares die Nachbarn oder ihre Freundinnen mit ihren Männern. Ist nicht anzunehmen, daß nach der Scheidung all diese Leute zu Eileen Hathall hielten? Mit anderen Worten, sie blieben ihre Freunde und ließen ihn im Stich.«
»Diese unbekannte Frau könnte aber auch eine sein, die er auf der Straße aufgegabelt oder mit der er sich zufällig in einem Pub unterhalten hat. Hast du daran gedacht?«
»Natürlich. Wenn das der Fall ist, dann sind meine Chancen, sie zu finden, sehr gering.«
»Alsdann – morgen auf nach Wood Green! Ich selbst nehme mir morgen den Tag frei. Ich muß abends bei einem Essen in Brighton sprechen, und ich hatte mir gedacht, ich fahre ganz gemütlich dort runter, aber vielleicht komme ich erst mal mit dir in die Höhle des Löwen.«
Das Schrillen des Telefons unterbrach Wexfords Dank für dieses Angebot. Howard griff nach dem Hörer, und schon seine ersten Worte, sehr freundlich, aber ohne sonderliche Vertrautheit gesprochen, zeigten seinem Onkel, daß der Anrufer jemand war, den er zwar flüchtig, aber nicht sehr gut kannte. Dann reichte er Wexford den Hörer, und er hörte Burdens Stimme.
»Die gute Nachricht zuerst«, sagte der Inspector, »wenn man es denn eine gute Nachricht nennen kann.« Und er berichtete, es habe sich doch noch jemand gemeldet und gesagt, er habe gesehen, wie Hathalls Wagen am vergangenen Freitag nachmittag um fünf nach drei in die Einfahrt von Bury Cottage eingebogen sei. Aber er hatte nur die Fahrerin gesehen, die er als eine dunkelhaarige junge Frau beschrieb, und sie habe so was wie eine rotkarierte Bluse oder ein rotkariertes Hemd getragen. Sie habe noch jemanden bei sich gehabt, da sei er sicher, und mit ziemlicher Sicherheit sei das eine Frau gewesen, aber genauere Details konnte er nicht liefern. Er sei auf dem Fahrrad die Wool Lane in Richtung Wool Farm entlanggefahren, habe sich deshalb auf der linken Straßenseite befunden, der Seite also, von der aus er den Fahrer im Blickfeld hatte, nicht unbedingt aber auch den Beifahrer. Der Wagen habe gestoppt, denn er hätte Vorfahrt gehabt, und weil der rechte Blinker geleuchtet habe, sei er sicher gewesen, daß er in die Hauseinfahrt einbiegen wollte.
»Warum hat sich dieser Radfahrer denn bloß nicht früher gemeldet?«
»Er war hier unten auf Urlaub, er und sein Fahrrad«, sagte Burden, »und er sagt, er habe bis heute keine Zeitung zu Gesicht gekriegt.«
»Manche Leute«, brummte Wexford, »leben wie die Schmetterlingslarven. Wenn das die gute Nachricht war, welches ist dann die schlechte?«
»Möglich, daß sie gar nicht schlecht ist, ich weiß es nicht. Aber der Chief Constable ist hier gewesen und hat nach Ihnen gefragt. Er möchte Sie morgen nachmittag Punkt drei sprechen.«
»Das kommt uns ziemlich in die Quere mit unserem Besuch in Wood Green«, sagte Wexford nachdenklich zu seinem Neffen, und er erzählte ihm, was Burden gesagt hatte. »Ich muß also zurück, und ich kann nur versuchen, entweder Croydon oder Toxborough auf dem Weg zu erledigen. Für beides werde ich keine Zeit haben.«
»Hör mal, Reg, warum soll ich dich nicht nach Croydon fahren und dann via Toxborough nach Kingsmarkham? Dann hätte ich immer noch drei oder vier Stunden, ehe ich in Brighton sein muß.«
»Das wäre aber ganz schön lästig für dich, was?«
»Im Gegenteil. Ich muß dir ganz ehrlich sagen, ich bin richtig scharf darauf, diese Xanthippe zu Gesicht zu kriegen, diese erste Mrs. Hathall. Du kommst dann mit mir zurück, und Dora kann gleich hierbleiben. Ich weiß, Denise will sie unbedingt am Freitag dabeihaben, wegen irgendeiner Party, auf die sie geht.«
Und Dora, die zehn Minuten später hereinkam, ließ sich nicht lange bitten, bis Sonntag in
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