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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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und mit welchen Mitteln. Und vor allem war er rundweg empört, daß ein Mann seine Frau umbringt, dann seine Mutter holt, um sie die Leiche finden zu lassen und nichtsdestoweniger von der zuständigen Behörde als ›kooperativ‹ bezeichnet wurde.
    Er durfte diese Angelegenheit nicht zur Obsession werden lassen. Er mußte sich energisch sagen, daß er schließlich ein vernünftiger, klardenkender Mann war, ein Polizist, dem eine Aufgabe gestellt war, und kein Menschenjäger aus politischer Mission oder um einer heiligen Sache willen. Vielleicht hatte ihn die monatelange Abmagerungskur um seine Nüchternheit und seine Ausgeglichenheit gebracht. Aber nur ein Narr würde sich um den Preis geistiger Unausgeglichenheit eine gute Figur zulegen. An diese ausgezeichnete Maxime hielt er sich und blieb völlig kühl, als Burden ihm erzählte, Hathall habe vor, Bury Cottage nicht länger zu mieten. Und er antwortete mehr sarkastisch als explosiv.
    »Darf ich denn wenigstens erfahren, wo er hinzieht?«
    Da Griswold von Burdens diplomatischem Geschick eine hohe Meinung hatte, war dieser den ganzen Herbst hindurch Verbindungsmann zu Hathall gewesen. Den Botschafter von Mid-Sussex nannte Wexford ihn und setzte hinzu, er nehme an, daß ›unser Mann in Wool Lane‹ doch wohl im Besitz eines solchen Staatsgeheimnisses sei?
    »Er bleibt zunächst einmal bei seiner Mutter in Balham, und er spricht davon, sich eine Wohnung in Hampstead zu kaufen.«
    »Der Verkäufer wird ihn übers Ohr hauen«, meinte Wexford ironisch, »die Zugverbindungen werden unmöglich sein. Er wird eine exorbitante Extramiete für seine Garage zahlen müssen, und irgend jemand wird ein Hochhaus so bauen, daß seine Aussicht über die Heath ruiniert ist. Alles in allem – er wird sehr glücklich sein.«
    »Ich weiß wirklich nicht, weshalb Sie ihn für einen solchen Masochisten halten.«
    »Ich halte ihn für einen Mörder.«
    »Hathall hat seine Frau nicht ermordet«, sagte Burden. »Er hat einfach bloß so eine unglückliche Art, die Ihnen gegen den Strich geht.«
    »Unglückliche Art! Warum nennen wir die Dinge nicht beim Namen und sagen, er hat Anfälle? Er ist allergisch gegen Fingerabdrücke. Erwähnt man, daß man einen an seiner Badewanne gefunden hat, dann kriegt er nahezu einen epileptischen Anfall.«
    »Aber das können Sie doch wohl kaum als Indiz werten, nicht wahr?« fragte Burden ziemlich kühl, und er setzte seine Brille auf, aus keinem anderen Grund, fand Wexford, als seinen Chef durch sie hindurch zurechtweisend anzublicken.
    Aber der Gedanke, daß Hathall sich aus dem Staub machte und jenes neue Leben begann, das er für sich geplant und durch den Mord möglich gemacht hatte, war sehr beunruhigend. Daß es überhaupt soweit hatte kommen können, lag größtenteils an seiner eigenen falschen Führung der Ermittlung. Er hatte alles verdorben, indem er hart und aggressiv mit einem Mann umgesprungen war, der auf solche Behandlung nicht ansprach. Und jetzt gab es nichts mehr, was sich dagegen tun ließ, weil Hathalls Person sakrosankt war und jeglicher Hinweis auf die Identität der unbekannten Frau in seinem sakrosankten Gehirn versiegelt war. Hatte es überhaupt noch Sinn, Hathalls neue Adresse in Erfahrung zu bringen? Wenn es ihm nicht erlaubt war, in Kingsmarkham mit ihm zu sprechen, welche Hoffnung konnte er dann haben, seine Privatsphäre in London zu durchbrechen? Lange Zeit hinderte ihn sein persönlicher Stolz daran, Burden nach Neuigkeiten über Hathall auszufragen, und Burden erzählte ihm auch nichts, bis sie eines Tages im Frühjahr gemeinsam im Carousel beim Mittagessen saßen. Der Inspector ließ Hathalls neue Adresse ganz beiläufig in die Unterhaltung einfließen, leitete seine Erwähnung mit einem ›Nebenbei gesagt‹ ein, als spräche er von einem gemeinsamen flüchtigen Bekannten, einem Mann, an dem keiner von ihnen mehr als ein vorübergehendes Interesse gehabt haben konnte.
    »Daß er mir das tatsächlich erzählt …«, sagte Wexford zu der tomatenförmigen Ketchupflasche.
    »Ich wüßte keinen Grund, weshalb Sie es nicht wissen sollten.«
    »Haben sich’s wohl vom Innenministerium absegnen lassen, was?«
    Aber daß er die Adresse nun hatte, half in der Sache wenig, und die Straße selbst sagte Wexford nichts. Er war bereit, das Thema sofort wieder fallenzulassen, weil er wußte, daß eine Diskussion über Hathall sowohl für Burden als für ihn bloß zu Peinlichkeiten führen mußte. Merkwürdigerweise war es Burden, der

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