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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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nicht, daß Hathall gern zu irgendeiner Vernehmung erscheinen möchte.« Howard warf die Sonntagszeitung, die er gelesen hatte, auf den Boden und wandte seinem Onkel das hagere, knochige Gesicht mit den durchdringenden, eisblauen Augen zu. »Es war nicht jedesmal seine Tochter, Reg.«
    »Nein? Ich weiß, du hast diese Frau mit dem kurzen, blonden Haar gesehen, aber bist du auch sicher, daß es tatsächlich Hathall war, den du mit ihr zusammen gesehen hast?«
    »Ich bin sicher.«
    »Du hast ihn bloß einmal gesehen«, beharrte Wexford. »Du hast ihn aus zwanzig Metern Entfernung gesehen, und nur für etwa zehn Sekunden. Und das aus einem Auto, wo du am Steuer gesessen hast. Und wenn du bei Gericht erscheinen und schwören müßtest, daß der Mann, den du vor dem Marcus-Flower-Gebäude gesehen hast, derselbe Mann war, den du damals im Garten von Bury Cottage gesehen hattest – würdest du schwören? Wenn das Leben eines Mannes davon abhinge – würdest du?«
    »Wir haben ja die Todesstrafe nicht mehr, Reg.«
    »Nein, und weder du noch ich wünschen sie sich zurück – im Gegensatz zu manch einem anderen aus unserem Berufsstand. Aber wenn wir sie noch hätten – würdest du dann?«
    Howard zögerte. Wexford sah sein Zögern, und er spürte, wie sich eine Müdigkeit in seinem Körper ausbreitete, als hätte er ein Schlafmittel genommen. Schon der leiseste Zweifel löschte den kleinen Hoffnungsfunken aus, der ihm geblieben war.
    Schließlich meinte Howard matt: »Nein.«
    »Na bitte.«
    »Nun mal langsam, Reg. Ich würde inzwischen nie die Identität irgendeines Menschen beschwören, wenn mein Schwur zu seinem Tod führen könnte. Du setzt mich da zu sehr unter Druck. Trotzdem steht es für mich außer jedem vernünftigen Zweifel, und das wiederhole ich dir nochmals, daß ich Robert Hathall gesehen habe. Ich habe ihn vor den Büros der Firma Marcus Flower in der Half Moon Street mit einer blondhaarigen Frau gesehen.«
    Wexford seufzte. Was hieß das schließlich schon. Durch den Schlamassel, den er heute selbst angerichtet hatte, war ja alle Hoffnung, Hathall weiter zu verfolgen, zunichte geworden. Howard mißverstand sein Schweigen als Zweifel und sagte: »Wenn er nicht mit ihr zusammen ist, wohin geht er dann an all den Abenden, wo er nicht zu Hause ist? Wohin fährt er mit diesem Bus?«
    »Oh, ich glaube ja immer noch, daß er mit ihr zusammen ist. Die Tochter besucht ihn nur manchmal am Sonntag. Aber was nützt mir das alles? Ich kann ihn doch im Bus nicht verfolgen. Der ist doch jetzt gewarnt.«
    »Weißt du, er glaubt bestimmt, du gibst jetzt auf, nachdem du ihn mit seiner Tochter gesehen hast.«
    »Möglich. Möglich, daß er jetzt unvorsichtig wird. Na und? Ich kann mich schließlich nicht in Hauseingängen herumdrücken und dann hinter ihm auf einen Bus aufspringen. Entweder ist der Bus weg, ehe ich drauf bin, oder er dreht sich um und sieht mich. Und selbst wenn ich von ihm unbemerkt einsteige …«
    »Dann muß es jemand anders machen«, sagte Howard entschieden.
    »Leicht gesagt. Mein Chief Constable sagt nein, und du wirst dich wohl kaum mit ihm anlegen wollen, indem du mir einen deiner Männer überläßt.«
    »Stimmt, will ich nicht.«
    »Also vergiß es. Ich gehe nach Kingsmarkham zurück und lasse mir von Griswold mit Pauken und Trompeten den Marsch blasen – und Hathall kann in die sonnigen Tropen abhauen.«
    Howard stand auf und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich mach’s«, sagte er.
    Die respektvolle Scheu von früher hatte sich längst in Zuneigung und Kameradschaft verwandelt. Aber dieses leichthin und selbstverständlich gesprochene »Ich mach’s« ließ doch das alte Unterlegenheitsgefühl und den Neid gegenüber Howard wieder wach werden. Wexford spürte, wie eine dunkle Röte sein Gesicht überflutete. »Du?« fragte er gepreßt. »Du selbst? Das meinst du doch nicht ernst. Du rangierst schließlich ein paar Stufen über mir.«
    »Du bist vielleicht ein Snob. Und wenn schon. Ich tu das gerne. Macht mir Spaß. Schließlich hab ich so was seit Jahren nicht mehr unternommen.«
    »Willst du das wirklich für mich tun, Howard? Und deine eigene Arbeit?«
    »Wenn ich der Halbgott bin, zu dem du mich machst, dann kann ich doch wohl über meine Arbeitsstunden bestimmen. Natürlich geht es nicht jeden Abend. Hin und wieder wird‘s die üblichen Krisen geben, dann muß ich bis spät abends dableiben. Aber Kenbourne Vale wird schon nicht zu einem Klein-Chicago degenerieren, bloß weil ich ab

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