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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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uns an Flüssen auf. Wir … wir …« Er seufzt und blickt zu den Sternen hinauf. Unendliche Minuten des Schweigens verstreichen. »Wir zerren die Frauen in den Fluss und ertränken sie.«
    Mein Mund wird trocken. Mein Atem geht schneller und schneller.
    Er nimmt meine Hand in seine. »Bitte hab keine Angst vor mir! Ich möchte so nicht sein. Genau wie du keine Sirene sein willst. Ich hasse, wozu ich eines Tages fähig sein könnte. Jeden Tag zerbreche ich mir den Kopf darüber. Ich brauche dich. Du bist die Einzige, die mir helfen kann, diesem schrecklichen Schicksal zu entgehen. Zusammen … können wir normale Menschen sein.«
    Ich schüttle den Kopf und presse mich rückwärts gegen den Baum.
    Â»Entschuldige … Ich habe es vermasselt. Lass mich dir alles in Ruhe erklären! Ich möchte, dass du es verstehst.«
    Ich nicke, weil das alles ist, wozu ich im Moment in der Lage bin.
    Ruhig und sanft fährt er fort: »Es heißt, dass ein Nix vor einhundertundfünfzig Jahren zufällig an eine Sirene geriet. Er war von ihrem Anblick im Wasser eingeschüchtert, aber im Gegensatz zu anderen Männern wurde er nicht von ihrer Stimme angelockt. Stattdessen stand er einfach nur da, fasziniert von ihrem Gesang. Keiner von beiden wusste, was zu tun war. Aber sie spürten, dass sie Seelenverwandte waren. Sie verbrachten die Nacht zusammen. Er kam jeden Abend zurück und sah ihr beim Schwimmen zu und schließlich verliebten sie sich ineinander. Dadurch veränderte sich alles. Beide waren nicht länger Sklaven ihres Schicksals.«
    Er atmet tief ein. »Der Fluch ist die Rache für eine Tat, die unsere Vorfahren begangen haben. Er verdammt uns zur Einsamkeit. Dahinter steht der Gedanke, dass niemand unser wahres Wesen anerkennt. Sobald Menschen unsere Natur erkennen, verlassen sie uns.«
    Ich schlucke. Er hat Recht. Als mein Vater erfuhr, dass meine Mutter eine Sirene war, verschwand er – und kam nie mehr zurück.
    Â»Wir beide aber hätten keinen Grund, einander zu verurteilen.«
    Ich schlucke. »Woher willst du das wissen?«
    Er lächelt und sein Blick wandert wieder in die Ferne, bevor er mir tief in die Augen sieht. »Mein Vater ist ein Nix und meine Mutter ist eine Sirene. Wenn es bei ihnen geklappt hat, funktioniert es auch bei uns. Ich habe lange nach dir gesucht. Manche Nixe finden ihr Gegenstück nie. Sie müssen ihr ganzes Leben unter dem Fluch zubringen.«
    Erik beugt sich zu mir hin und streicht sanft mit dem Daumen an meinem Kinn entlang. »Vor zwei Jahren ist ein Schüler der Abschlussklasse – ein ausgezeichneter Schwimmer – im Meer ertrunken.«
    Steven.
    Â»Das allein war nicht der entscheidende Hinweis. Ich sah ein Foto von deiner Mutter, die unter ungewöhnlichen Umständen ertrunken ist. Und ich fand heraus, dass sie eine Tochter hatte. Meine Eltern schickten mich hierher, damit ich meinen Verdacht überprüfen konnte. Du bist eine Sirene. Genau wie wir Nixe sind Sirenen sehr selten. Du bist wahrscheinlich die Einzige auf der Welt in meinem Alter.«
    Er hält inne und setzt sich so hin, dass wir auf Augenhöhe sind. »Wahrscheinlich ist Schwimmen das Einzige, das dir jetzt noch etwas bedeutet. Aber du musst doch mehr vom Leben wollen!«
    Â»Ich … ich hab noch nie mit jemandem über meine wahre Natur gesprochen.«
    Er sieht den verängstigten Ausdruck in meinen Augen und rückt etwas von mir weg. Der plötzliche Abstand verschafft mir etwas Luft.
    Â»Es tut mir leid … Ich hab dich wahrscheinlich total überrumpelt.«
    Ich stehe unwillkürlich auf. »Es ist nur ganz schön viel auf einmal. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Â»Du musst gar nichts sagen. Denk darüber nach und dann reden wir.«
    Â»Ich habe schon einen Freund«, sage ich.
    Â»Verstehe. Das ist …« Er presst die Lippen zusammen. Mit dieser Reaktion hat er offensichtlich nicht gerechnet.
    Â»â€¦Â bedauerlich«, sagt er schließlich.
    Â»Muss ich heute trotzdem schwimmen?«
    Erik nickt. »Ja, du musst weiterhin Nacht für Nacht ins Wasser. Bis wir uns verlieben.« Er räuspert sich. »Ich geh dann mal.«
    Â»Bist du morgen in der Schule?«
    Er nickt. »Ja, ich werde hierbleiben. Ich habe gehofft … ich … wir könnten normal leben. Gemeinsam die Schule beenden wie alle anderen

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