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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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du Mius Vater gedroht? Etwa damit, seiner Tochter etwas anzutun?«
    »Was hat Miu denn damit zu tun?« Taheb stemmte die Arme in die Hüfte. »Ich verlange eine Erklärung von dir, Nefer. Aber überleg dir gut, was du jetzt sagst! Denn wenn es stimmt, was der Junge da behauptet …«
    »Miu ist verschwunden«, sagte Ani brüsk. »Darum geht es jetzt vor allem. Offenbar zusammen mit diesem Ipi, der sie zuvor in die Werkstatt gelockt hat. Dort hab ich vorhin ihr blaues Haarband gefunden.«
    Er legte es vor seine Eltern auf den Tisch.
    »Wo könnte Miu sein, Vater? Hast du vielleicht eine Idee?«
    »Ipi, sagst du? Ausgerechnet Ipi?«, murmelte Nefer, der auf einmal äußerst nachdenklich schien.
    »Du kennst ihn? Dann rede, wenn du etwas weißt!«, rief Ani.
    »Er hat mir einmal einen großen Gefallen erwiesen, jedenfalls dachte ich das damals. Allerdings war er mir vom ersten Augenblick an nicht ganz geheuer, das müsst ihr mir glauben!«

    Unsicher wanderte sein Blick zwischen Frau und Sohn hin und her.
    »Wo kann er sie hingebracht haben?«, wiederholte Ani. »Denk nach, Vater! Wenn Miu jetzt etwas geschieht, würde ich dir das niemals verzeihen!«
    »Ich habe aber nicht die geringste Ahnung!«, rief Nefer. »Er führt im Geheimen ein Doppelleben. Tagsüber spielt er den braven Gehilfen des Balsamierers, doch er hat noch eine zweite Existenz: Er gehört zu der Grabräuberbande, nach der du fahndest.«
    »Zu denen, die Echnatons Grab geplündert haben?« Ani war kalkweiß geworden.
    Und auch sein Vater schien endlich zu begreifen, das erkannte Ani an dessen jäh versteinerter Miene. »Du glaubst doch nicht etwa, er hat das Mädchen ausgerechnet in jenes Grab gebracht?«, sagte Nefer.
    »Genau dort werden heute Nacht Soldaten des Pharaos die Grabräuber stellen, vorausgesetzt, alles läuft so, wie ich es eingefädelt habe. Vielleicht ist es ja bereits so weit. Dann könnte es für Miu lebensgefährlich werden!«, rief Ani.
    Jetzt saß blanke Angst in Tahebs Augen.
    »Du musst sie retten, Junge«, rief sie. »Sadeh darf ihre Tochter nicht zum zweiten Mal verlieren!«
    »Nichts anderes habe ich vor«, sagte Ani grimmig. »Doch dazu muss ich erst einmal hinüber! Wie komme ich jetzt so schnell wie möglich zum Westufer, Vater?«
    »Wir nehmen mein Boot, Ani. Du ruderst - und ich leuchte durch die Nacht.«
    »Wir?« Anis Stimme zitterte leicht.
    »Wir beide«, sagte Nefer. »Ich bin an deiner Seite, mein Sohn!«

    Rings um die neue Rennbahn des Pharaos flackerten im aufkommenden Nachtwind aufgesteckte Fackeln an hohen Holzmasten. Der Sand der Bahnen war frisch aufgeschüttet worden. Zu langsam ansteigenden Trommelklängen füllte sich nach und nach die Tribüne am Kopfende. Keiner der Höflinge oder hohen Staatsbeamten fehlte. Sie alle waren gekommen, festlich herausgeputzt und je nach Amt und Bedeutung kostbar geschmückt.
    Ein Raunen ging durch die Menge, als schließlich als Letzte die Große Königliche Gemahlin erschien, flankiert von ihren hochbeinigen Hunden, deren tiefschwarzes Fell das Weiß ihres Gewandes und das Gold des schweren Geschmeides noch strahlender wirken ließ. An der Seite einer Hofdame nahm sie in der ersten Reihe Platz. Auf einen knappen Befehl hin legten Tjesem und Tjesmet sich zu ihren Füßen nieder.
    Hinter ihr beugte sich Haremhab leicht nach vorn. »Wo steckt Eje?«, flüsterte er. »Wir hatten doch vereinbart, dass der Alte unbedingt dabei sein soll!«
    »Großvater kann sein Bett leider nicht verlassen«, flüsterte Anchesenamun zurück. »Zweimal war der Sunu heute schon bei ihm. Die Bürden des Alters machen ihm offenbar schwer zu schaffen.«
    Mit einem zufriedenen Lächeln lehnte der General sich zurück.
    Jetzt fuhr der Streitwagen des Pharaos ein, goldglänzend im Fackelschein. Sogar das Zaumzeug der Pferde war vergoldet; ihre Stirnriemen schmückten große Edelsteine.
    Wind, der Braune, schien von dem ganzen Spektakel recht unbeeindruckt, während in dem schwarzen, schlankeren Hengst namens Sturm sichtlich die Aufregung
schwelte. Er schnaubte und tänzelte, machte sogar Anstalten zu steigen. Erst die warme Berührung der Hand Tutanchamuns ließ ihn ein wenig ruhiger werden.
    »Du hast den Wagen gründlich überprüft?«, fragte der Pharao, der ebenfalls ganz in Gold und Weiß gekleidet war, als er sich zum Aufsteigen bereit machte. Sein Kopf war unbedeckt und frisch rasiert, was ihn besonders jungenhaft aussehen ließ. »Räder? Speichen? Achsen? Alles in bester Ordnung?«
    »Das habe

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