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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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herschleifen?
    Die aufjohlende Menge gibt ihr die Antwort.
    »Nieder mit Echnaton, dem Ketzer! Nieder mit Nofretete, seiner Hure - schleift ihre Mumien, bis sie in Fetzen hängen …«
     
    Das Licht der Fackel, das sie ohne Vorwarnung traf, erschien Miu unerträglich grell.
    »Ich bin zurück«, sagte Ipi, und seiner Stimme merkte sie an, dass er dabei grinste. »Bist du bereit, meine süße Braut? Oder soll ich deinen Aufenthalt in Stille und Abgeschiedenheit noch einmal um unbestimmte Zeit verlängern?«
    Miu war aufgesprungen und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Die Rauheit des Felsgesteins machte sie schlagartig hellwach.
    »Deine Braut? Niemals!«, rief sie. »Und wenn du mich bis zum Ende aller Tage hier unten einsperrst. Aber das wirst du nicht, denn ich habe heimlich ein Zeichen hinterlassen. Ani wird kommen und mich herausholen - und dann ist dein letztes Stündchen angebrochen!«

    Die Idee, Ani ins Spiel zu bringen, war ihr ganz plötzlich eingefallen, dabei war es eher ein Zufall gewesen, dass sie ihr Haarband in der Werkstatt zurückgelassen hatte. Jetzt aber erschien es ihr wie das letzte bisschen Hoffnung, an das sie sich noch klammern konnte.
    »Ani?« Ipi brach in lautes Gelächter aus. Seine Augen aber hatten für einen kurzen Moment erschrocken gewirkt. »Du musst eine ausgezeichnete Senet-Spielerin sein, bei dem taktischen Geschick, über das du verfügst. Doch mich führst du nicht hinters Licht. Ani hat nicht die geringste Ahnung, dass du hier bist!«
    »Und wenn doch?« Sie spürte, dass sie ihn verunsichert hatte, und diesen Vorteil musste sie nutzen!
    »Dann werden wir eben umso schneller sein müssen, meine Schöne.« Ipi packte sie am Handgelenk und zerrte sie weiter in die Dunkelheit. »Unser Hochzeitslager wartet gleich nebenan!«

    Anis Kiefer tat weh, so fest hatte er die Zähne zusammengebissen, doch ob er wollte oder nicht, er musste schon wieder eine Pause einlegen. Nefer betrachtete ihn voller Mitgefühl. Es war wohl nicht das erste Mal seit Anis Rückkehr aus dem Kusch-Feldzug, dass seinem Vater wirklich bewusst wurde, was er ständig zu ertragen hatte.
    »Schau mich nicht so mitleidig an wie einen geprügelten Hund«, sagte Ani, dem die verstohlenen Blicke nicht entgangen waren. »Hilf mir lieber auf, damit wir endlich zu Miu kommen.«
    »Dieser Weg über das Geröll mitten in der Nacht ist
der reinste Wahnsinn.« Nefer hielt in der einen Hand die Fackel, die andere streckte er ihm entgegen. »Ein falscher Schritt - und wir liegen beide mit gebrochenem Genick dort unten!«
    »Noch ein paar dieser Verzögerungen, und Miu lebt vielleicht nicht mehr«, knurrte Ani, den die eigene Hilflosigkeit immer wütender machte. »Gehen wir!«
    Zum Glück hatten sie inzwischen den Kamm des steilen Berges erreicht, doch noch lag der Abstieg vor ihnen, der wesentlich schwierigere Abschnitt, wie Ani aus eigener Erfahrung wusste. War das dort drüben nicht der Felsvorsprung, der ihm damals Schutz geboten hatte? Alles in ihm sehnte sich nach Ruhe und Erholung, doch im Stillen redete er seinem Bein gut zu und zwang sich, nicht mehr an eine Pause oder gar an Aufgeben zu denken.
    Plötzlich spürte er einen leichten Schlag auf der Schulter.
    »Da bist du ja endlich«, sagte Kenamun, der auf einmal hinter ihm aufgetaucht war. Falls er über Nefers unerwartete Gegenwart erstaunt war, ließ er es sich nicht anmerken. »Allerdings bist du reichlich spät dran. Was hat dich aufgehalten?«
    »Ipi hat Miu verschleppt«, sagte Ani. »Jedenfalls nehme ich das an. Ich hab meinen Vater zu Hilfe geholt. Wir vermuten, dass er sie in Echnatons Grab gebracht hat.«
    »Dann sollten wir uns beeilen! Bei einem der beiden Königsgräber waren sie nämlich schon«, sagte Kenamun.
    »Die Soldaten des Pharaos?«, fragte Ani hoffnungsvoll. »Sie sind da? Du hast sie gesehen?«
    Kenamun zuckte die Schultern. »Ich meinte die Grabräuber.
Von den Soldaten sah ich bisher noch keinen einzigen.«

    Sein Körper war schweißbedeckt, der Kopf glühte.Auch die Pferde waren nass vor Anstrengung, aber sie galoppierten noch immer so schnell wie niemals zuvor. Der Stallmeister hatte recht gehabt - so musste es sein, wenn man flog!
    Tutanchamun fühlte sich glücklich und stark, als beim Umrunden die Tribüne erneut in Sicht kam. Am liebsten hätte er die Hand gehoben, um die Zuschauenden zu grüßen, doch seine beiden Hände mussten jetzt am Zügel bleiben, dessen Leder sich tief in seine Ballen eingeschnitten hatte, so

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