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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gern.«
    »Aber ihr könnt sie doch nicht einfach abführen wie eine Verbrecherin!« Ani sah plötzlich elend aus.
    »Zur Seite, Mann - oder sollen wir deutlicher werden?«
    »Lass gut sein, Ani«, sagte Miu, obwohl ihre Stimme vor Aufregung ganz dünn geworden war.
    Und wenn dem Pharao doch etwas zugestoßen war?
    Diesen Gedanken schob sie schnell wieder beiseite. Nein, er lebte, das spürte sie, aber was hatte diese Festnahme dann zu bedeuten?
    Schatten des Zweifels krochen erneut in ihr empor. Wäre der Pharao mit dem warmen Blick fähig, ihr ein Leid anzutun? Hatte sie ihn durch irgendetwas verletzt oder verärgert? Aber sosehr sie sich auch das Hirn zermarterte, ihr wollte nichts dazu einfallen.
    Sie wusste so gut wie nichts über ihn. Lag wehrlos in seiner mächtigen Hand, weniger wert als der Staub unter seinen Sohlen, das hatte Eje ihr im Palast unmissverständlich zu verstehen gegeben. Wenn sie jetzt aufbegehrte, würde es womöglich Unschuldige treffen, und das war das Letzte, was sie gewollt hätte.
    Miu straffte sich, reckte das Kinn.
    Mochte es in ihrem Inneren auch noch so sehr drunter
und drüber gehen, sie würde versuchen, sich nach außen so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Raia sollte stolz auf ihre Enkelin sein können.
    »Gehen wir«, sagte sie. »Ich bin bereit.«

    »Wie gefällt dir mein Garten?«, sagte der Pharao, nachdem sie an den unzähligen Blumenbeeten vorbeigegangen waren, wo Mohn und Alraunen, Kornblumen und Lilien wuchsen - eine beeindruckende Farbenpracht, aber alles so geometrisch exakt angelegt, dass Miu unwillkürlich an den Königlichen Garten der Sonnenstadt denken musste, wo ihr alles freier und üppiger erschienen war.
    »Und ich dachte schon, hier wäre alles aus Stein.« Sie zwang sich zu einem Lächeln.
    »Damit liegst du gar nicht so sehr daneben, denn ohne ständige Bewässerung wäre hier binnen Kurzem alles vertrocknet. Seth, der rote Herr der Wüste, den wir so mühsam aus dem Fruchtland verbannt haben, schläft nur. Durch Unvorsicht oder Nachlässigkeit seinen glühenden Atem zu wecken, könnte äußerst gefährlich sein. Kennst du die Wüste, Miu?«
    »Nein«, sagte sie. »Und alles, was ich bislang über sie weiß, macht mir eher Angst.«
    »Dann ist dir offenbar noch nicht der Richtige begegnet, der das ändern könnte. Es lohnt sich, all ihre Geheimnisse zu ergründen. Denn nur wer die Wüste begriffen hat, kennt auch sich selbst.« Tutanchamun ging ein paar Schritte voraus, dann drehte er sich abrupt zu ihr um. »Komm mit. Ich möchte dir meinen Lieblingsbaum zeigen!«

    Auch jetzt vergaß Miu keinen Augenblick die bewaffneten Männer der Leibwache, die ihnen in gebührendem Abstand folgten. Für den König offenbar ein Anblick, an den er sich längst gewöhnt hatte, denn er bewegte sich frei und schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen. Miu dagegen war irritiert und verspürte den starken Impuls, sich immer wieder zu vergewissern, ob sie noch da waren.
    Vor einer großen Sykomore machte er halt. Der verzweigte Baum strebte mit seinem reichen Blätterdach hoch in den wolkenlosen Himmel. Seitlich des alten Stammes war ein neuer, schlankerer entsprossen, der seinerseits bereits wieder Blätter und einige Datteln trug.
    »Das vermag nur sie.« Der Pharao klang bewegt. »Hathor * - die Göttin der Liebe, Schutzherrin dieses Baumes. Wen sie berührt, der ist beides zugleich: ausgezeichnet und verloren.«
    Da war er wieder, jener gewisse Blick, den sie nicht mehr vergessen konnte! Er spricht von seinem Lieblingsbaum, sagte sie sich rasch, bevor noch verkehrte Gedanken in ihr aufsteigen konnten. Von einem Baum - und nicht von dir!
    Doch sie schien sich getäuscht zu haben.
    »Hast du das schon einmal erlebt, Miu«, hörte sie ihn leise weiterreden. »Jenes einmalige Gefühl, für das es keinerlei Vergleich gibt? Sie strömt durch meinen Körper wie Salz in der Flut des Meeres, wie Myrrhe in einer Arznei, wie Milch im Wasser …«
    Es klang verführerisch schön, was er da sagte, aber er war Pharao und Gott, und sie nur ein einfaches Mädchen!
    »Warum bin ich hier?« Miu hatte all ihren Mut zusammengenommen. »Bewaffnete haben mich ohne Erklärung
von der Hochzeit meiner Freundin weggezerrt, als wäre ich eines Verbrechens verdächtig …«
    »Das wollte ich nicht. Mein Befehl lautete lediglich, dich herzubringen. Ich musste dich wiedersehen - nach allem, was geschehen ist.«
    »Dann hat Userkaf also alles Wichtige an den Hof weitergegeben«, sagte Miu erleichtert.

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