Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Pharao jedenfalls ist ganz verrückt nach seinem roten Bruder, setzte sie stumm hinzu. Auch wenn er kein Weibchen ist, wie ich zunächst gedacht hatte. Aber das alles werde ich dir jetzt nicht haarklein auf die Nase binden!
    »Und warum übergibst du Iset den Kater dann nicht persönlich?«
    Die Frage, vor der Miu sich am meisten gefürchtet hatte!

    Es gab keine Antwort darauf, zumindest keine, die halbwegs schlüssig geklungen hätte.
    »Wo sind denn deine Jungs?«, fragte sie zurück, um Sheribin abzulenken, während Keku die neue Umgebung hingebungsvoll abschnüffelte.
    Sheribin begann zu lächeln. »In der Schule«, sagte sie. »Alle beide. Stell dir vor, dein Onkel Nefer, unser Wohltäter, hat sich dazu bereit erklärt, auch noch diese Kosten zu übernehmen! Für Nesbin, meinen Älteren, ist es eine große Umstellung, und er jammert jeden Morgen, wenn ich ihn wecke. Doch mein kleiner Kahay tut sich mit dem Schreiben so leicht, als wäre er schon mit der Binse in der Hand geboren worden.«
    »Wieso unterrichtet Nefer die beiden eigentlich nicht selber?«, fragte Miu. »Als ehemaliger Schreiber müsste es doch eine Kleinigkeit für ihn sein! Ani hat er schließlich auch Lesen und Schreiben beigebracht.«
    Die Schüssel auf Sheribins Schoß geriet gefährlich ins Schwanken, so heftig begann sie auf einmal zu gestikulieren.
    »Er mag es nun mal nicht, auf seine Vergangenheit angesprochen zu werden«, antwortete sie. »Was ich natürlich zu akzeptieren habe. Wir schulden ihm ohnehin so viel. Wie würden wir ohne Nefer heute dastehen?«
    Wieder überkam Miu ein seltsames Gefühl. Bereits zum zweiten Mal hörte sie, wie Sheribin Nefers Großzügigkeit in den allerhöchsten Tönen pries, ein Charakterzug, der ihr noch nie an ihm aufgefallen war. Gab es womöglich einen bestimmten Grund, warum er sich ausgerechnet Pacheds Witwe gegenüber so generös verhielt? Ein Verdacht, dem sie im Moment nicht weiter nachgehen
konnte, denn schließlich wollte sie gerade etwas anderes herausbekommen.
    »Ihr habt doch früher auch in der Sonnenstadt gelebt«, sagte sie. »Dein Mann Pached und du. War er damals nicht ebenfalls Schreiber? So jedenfalls habe ich es gehört.«
    »Das war er. Wenngleich bei Weitem nicht in so hoher Position wie dein Onkel Nefer, der auch noch das Amt eines Vorlesepriesters innehatte und im Lebenshaus eine wichtige …« Sie brach ab.
    »Wieso redest du nicht weiter?« Mius Augen ruhten auf ihrem Gesicht.
    »Weil das alles schon eine halbe Ewigkeit her ist! Jetzt leben wir alle hier in Waset und haben ganz andere Sorgen.«
    »Hast du denn gar keine Erinnerungen mehr an jene Zeit?«
    »Natürlich hab ich die - gute wie auch schlechte! Doch wem würde es helfen, mich darin zu verlieren?«
    »Mir zum Beispiel«, sagte Miu. »Es gibt da nämlich einen Traum, der mich sehr verwirrt. Wäre meine Mutter noch am Leben, ich würde sie um Rat fragen, aber du weißt ja, sie ist schon seit Langem tot.«
    Sheribin gab einen seltsamen Laut von sich, den Miu geflissentlich überhörte.
    »Stattdessen frage ich jetzt dich, weil du ja auch eine Mutter bist und mich deshalb vielleicht verstehst. Schon ganz oft habe ich diesen Traum gehabt und mich jedes Mal beim Erwachen scheußlich gefühlt. Er beginnt damit, dass ich eingesperrt bin, allein in einer stockdunklen Kammer, aber dann kommt jemand und zerrt mich hinaus, obwohl ich mich dagegen wehre. Er ist viel stärker als ich
und schleppt mich hinaus auf die Straße. Es ist grell, um die Mittagszeit, wie ich glaube, denn die Sonne steht hoch, und jede Menge Menschen sind unterwegs, alle wie getrieben. Bislang hatte der Traum stets an dieser Stelle geendet, doch heute Nacht ging er weiter. Ich hab zwei goldene Streitwagen gesehen, Sheribin, die jeweils etwas Dunkles hinter sich hergeschleift haben …«
    Isets Mutter war sich mit der Hand an die Kehle gefahren. Ein stummes Flehen lag in ihrem Blick.
    »Was hast du denn auf einmal?«, fragte Miu besorgt.
    »Ist ja furchtbar«, krächzte Sheribin. »Dich so zu quälen!«
    »Am meisten von allem quält mich, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht.« Beinahe hätte sie in diesem Moment den unheimlichen Mann mit dem Geierprofil erwähnt - jenen Mann, der den Pharao töten wollte, davon war sie mehr denn je überzeugt. Miu zögerte einen Augenblick, dann entschied sie sich dagegen. Sheribin wollte oder konnte nicht antworten, das glaubte sie zu spüren.
    »Am besten vergisst du alles ganz schnell wieder!« Sheribin schien endlich

Weitere Kostenlose Bücher