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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihre Sprache wiedergefunden zu haben. »Träume zu deuten, ist eine komplizierte Kunst, die nur wenige beherrschen. Was vergangen ist, soll eben vorbei sein und vergessen! Das solltest du dir merken, Miu.«
    »Du kannst dich also nicht mehr daran erinnern?« Miu wollte sich nicht so einfach mundtot machen lassen. Wenn es sich tatsächlich so zugetragen hatte wie in ihrem Traum, dann musste es doch Menschen geben, die sich noch daran erinnerten. »Es muss doch ein ganz besonderer Tag gewesen sein. Denk bitte noch einmal genau nach!«
    Sheribin erhob sich abrupt.

    »Weißt du was? Gleich heute Nachmittag werde ich Iset im Wüstendorf besuchen und ihr dein hübsches Katerchen vorbeibringen«, sagte sie. »Bin schon ganz gespannt, was für Augen sie machen wird!«

    Der Herzskarabäus schien in seiner Hand zu glühen, so fest hielt er ihn umklammert. Seit Neuestem trug Ramose ihn ständig mit sich herum, aus Angst, das Amulett könne ihm sonst wieder irgendwo unheilvoll entgegenleuchten. Doch eigentlich musste er ihn nicht einmal anschauen, denn jener Satz war ohnehin wie eingebrannt in seinem Herzen.
    Erkenne dein Verbrechen an …
    Was meinte jener Unbekannte, der durch ein paar Worte sein bisheriges Leben wie mit einem einzigen Schwerthieb entzweigeschlagen hatte?
    Ramose schlief schlecht und hatte jede Freude am Essen verloren. Seine Aufmerksamkeit ließ bedenklich nach, es fiel ihm schwer, wie gewohnt auf die Wünsche seiner Kundschaft zu reagieren. Bei jeder Kleinigkeit fuhr er aus der Haut, weil er unablässig grübelte, was jene Aufforderung zu bedeuten habe.
    Und Meret?
    Ach, Meret!
    Allein an sie zu denken, genügte, um sich auf der Stelle noch mieser zu fühlen. Einmal war er ihr zufällig begegnet, am Rand des Marktes, da hatte sie ihren Blick abgewandt, als ertrüge sie nicht einmal mehr seinen Anblick.
    Er hatte ihre Liebe aufs Spiel gesetzt - und verloren.

    Weil er Meret niemals hätte lieben dürfen, er, der in ganz Waset als Witwer galt, obwohl in Wirklichkeit …
    Ramose seufzte schwer auf.
    Er musste diesen Schritt wagen, obwohl er keine Ahnung hatte, was dann geschehen würde. Das Schlimmste daran war, dass er ihn nicht allein tun konnte. Dafür reichten seine Fähigkeiten nicht aus, denn es kam auf jedes einzelne Wort an.
    Doch jemanden ins Vertrauen zu ziehen, beinhaltete gleichzeitig ein großes Risiko.
    Wer wäre dessen würdig?
    Wer würde zudem schweigen können?
    Der Name, der ihm als Erstes in den Sinn kam, ließ Ramose zunächst den Kopf schütteln. Doch jener Name erwies sich als ausgesprochen hartnäckig, kehrte wieder und wieder, bis der Balsamierer endlich mürbe wurde. Und gab es nicht so etwas wie eine entfernte Verwandtschaft, die sie trotz allem verband?
    Schließlich entschloss er sich schweren Herzens, Nefer aufzusuchen.
    Der ehemalige Schreiber briet Enten am Spieß und machte dabei ein verdrießliches Gesicht, während Taheb hinten in der kleinen Küche rumorte.
    »Du!«, sagte er als Begrüßung. »Wasets reichster und berühmtester Balsamierer in unserer bescheidenen Schenke - welch Glanz und unverhoffte Ehre!«
    »Halb so wild«, wiegelte Ramose ab, dem diese Begrüßung ganz und gar nicht behagte. Es geschah nicht zum ersten Mal, dass Nefer unumwunden auf seinen Wohlstand und sein gesellschaftliches Ansehen anspielte. Unter welch enormen Mühen er sich beides erarbeitet hatte, schien Nefer
allerdings nicht weiter zu interessieren. »Ich wollte dich um etwas bitten …«
    »Womit könnte einer wie ich dir schon behilflich sein?«, fragte Nefer spöttisch.
    »Eine Art Gefallen. Genau genommen handelt es sich um einen Brief, bei dem ich deine Hilfe bräuchte.«
    »Du willst, dass ich etwas für dich schreibe?« Nefer ließ die Kurbel fallen und starrte Ramose an. Früher waren seine Augen klar und hell gewesen, in der Farbe frisch gebrauten Dattelbiers, das bei Lichteinfall beinahe golden schimmern konnte. Jetzt aber hatten Sorgen und lange Nächte sie stumpf gemacht.
    Wir alle haben unseren Preis für das neue Leben entrichtet, schoss es Ramose unwillkürlich durch den Kopf. Wenngleich einige von uns vielleicht einen besonders hohen bezahlen mussten.
    »So ist es.«
    »Aber es gibt unzählige Schreiber, die nur darauf warten, gegen Bezahlung die Binse zu führen. Wieso also ausgerechnet ich?«, fragte Nefer voller Misstrauen.
    Ramose schluckte.
    »Weil es sich um Familienangelegenheiten handelt. Die besser nicht herumgetratscht werden sollten.«
    »Du hast ein dunkles

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