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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Lippen geraten, was den Pharao nicht zu beeinträchtigen schien, ja offenbar nicht einmal besonders störte. Miu dagegen hatte immer mehr damit zu kämpfen, fühlte sich ausgetrocknet und atemlos.
    »Gefällt es dir?«, rief er und sah sie fröhlich an, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit wieder den Pferden und ihrem Weg durch das Nichts widmete, wie es ihr vorkam.
    Tutanchamun jedoch schien sein Ziel genau zu kennen. Bei einer bizarren Felsformation hielt er an.
    »Steig ab!«, rief er. »Du siehst aus, als hättest du eine Pause dringend nötig.«
    Auf ein Handzeichen wurden ihnen von den Leibwächtern Tonflaschen gebracht, und das kühle Wasser, das Miu durch die Kehle rann, erschien ihr wie das köstlichste Getränk ihres ganzen Lebens.
    »Bist du hungrig?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Schade.« Der Pharao schob den Korb zurück, den einer der Männer ihm gereicht hatte. »Nicht einmal ein paar Früchte?«
    »Später vielleicht.«
    Es war so still, dass jede Bewegung überlaut wirkte. Die Wachen hatten sich in respektvolle Entfernung zurückgezogen.
    Miu und der Pharao saßen sich auf einer eilig ausgelegten Decke schweigend gegenüber. Irgendwann ergriff
er ihre Hand. Sie zögerte erst, ließ es dann aber geschehen.
    »Ich habe oft an dich denken müssen, Miu«, sagte er mit jenem dunklen Blick, der jetzt so weich war und im nächsten Moment schon gnadenlos hart sein konnte. »Nicht nur, weil dein kleines rotes Tier mich vor dem Sterben bewahrt hat.«
    Sie rührte sich nicht, aus Furcht, den Zauber des Augenblicks zu verderben.
    »Seltsamerweise habe ich dir sofort vertraut, damals schon, im Palastgarten, als wir beide noch Kinder waren. Es gibt nur sehr wenige Menschen, von denen ich das sagen kann. Manchmal habe ich schon befürchtet, es gäbe gar keine mehr.«
    »Du musst dich vorsehen, Goldhorus«, sagte Miu, während ihr Herz wie wild gegen die Rippen schlug. »Zweimal bist du dem Tod glücklich entronnen. Doch ich habe noch immer Angst um dich. Jemand will, dass du stirbst. Ich fürchte, er wird es wieder versuchen. So lange, bis man ihn verhaftet und unschädlich gemacht hat. Ich glaube, es ist der Mann mit dem Geier…«
    »Ach, lass uns nicht länger von so traurigen Dingen reden! Sind wir nicht hier, du und ich, zusammen in dieser Landschaft, die an Weite und Schönheit nicht zu überbieten ist? Außerdem bin ich müde vor Sehnsucht nach dir, weißt du das eigentlich, kleine Miu?«
    Jetzt empfand sie seine Augen wie Hände, die ihren Körper liebkosten.
    Langsam beugte er sich zu ihr. Seine Lippen waren heiß, und es störte Miu nicht, dass Wind und Sand sie rau gemacht hatten, denn obwohl sie ihren Mund berührten,
hatte der Kuss anfangs nichts Verlangendes. Sie empfand ihn als eine Art Trost, als Ausdruck seines Wunsches, ihr zu zeigen, was sie ihm bedeutete.
    Sie erwiderte den Kuss, sanft und zärtlich, auch dann noch, als Tutanchamun immer leidenschaftlicher wurde. Doch das schien ihm nicht zu genügen. Er packte sie fester, zog sie eng an sich heran. Jetzt waren seine Hände plötzlich überall, und Miu spürte, wie ihr Körper steif wurde. Gleichzeitig hätte sie heulen können.
    Jedes Mal der gleiche Ablauf!
    War sie für ihn wirklich nur ein appetitliches Stück Fleisch, das er sich möglichst rasch einverleiben wollte?
    Miu wand sich unter ihm heraus. Der Pharao war offenbar so überrascht, dass er es widerstandslos geschehen ließ.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Tut mir leid. Nicht wenn sie uns alle dabei zusehen.«
    »Die Leibgarde?« Tutanchamun lachte, jenes große, hungrige Lachen, das sie anfangs so sehr an ihm gemocht hatte. »Damit muss ich leben, wenn ich Sicherheit will. Du wirst es auch lernen.«
    »Ich glaube nicht«, sagte Miu, »dass ich das möchte!«
    »Du weißt, dass ich es dir befehlen könnte?« Sein Blick war hart geworden.
    »Jeder muss dir gehorchen, mein König, du mögest leben, heil und gesund sein«, erwiderte sie mit fester Stimme, obwohl sie innerlich zitterte. »Alles hier gehört dir, das Land, die Tiere und auch wir, die Menschen. Aber nicht das, was in unseren Herzen ist. So weit geht selbst deine Macht nicht.« Plötzlich fühlte Miu sich wie befreit. So lange hatte sie ihm das schon sagen wollen!
    Er schaute sie an, als sähe er sie zum allerersten Mal.

    »Was für ein seltsames Mädchen du doch bist«, sagte er, und sie spürte Enttäuschung, ja sogar Zorn hinter seinen ruhigen Worten. »Andere an deiner Stelle würden alles dafür geben, um nur ein

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