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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seiner Wüstenausflüge hinter sich!
    Anchesenamun fragte sich, wer die Frau gewesen sein mochte, die ihn dieses Mal begleitet hatte.
    »Was willst du?«, sagte sie. »Der künftige Erbe Kemets und ich brauchen unseren Schlaf.«
    »Deshalb bin ich hier.« Sein Mund war hart geworden. »Um dich an deine Pflichten zu erinnern - mir gegenüber ebenso wie dem Land Kemet.«
    Anchesenamun beschränkte sich darauf, ihn fragend anzusehen. In seinem aufgebrachten Zustand war es das Beste, ihn nicht noch mehr zu reizen.
    »Wir stehen in einer langen Tradition«, begann er, »die dir und mir große Verpflichtungen auferlegt …«
    »Ich verstehe nicht. Worauf willst du hinaus?«
    »Hast du jenen Brief geschrieben?«, fragte er. »Antworte!«
    »Das habe ich doch Großvater gegenüber schon beteuert. Und trotzdem ist er damit sofort zu dir gerannt.«
    »Hast du - oder hast du nicht?« Er beugte sich über sie. Seine Augen funkelten. Und er hatte diesen entschlossenen Zug um den Mund, den sie nicht mochte. Etwas musste ihn heute sehr wütend gemacht haben. Tutanchamun sah aus, als hätte er sie am liebsten am Genick gepackt und
kräftig hin und her geschüttelt, so wie es ihre Hunde taten, wenn sie etwas erbeutet hatten.
    »Natürlich nicht!«, rief Anchesenamun. »Bist du etwa blind? Hier in meinem Bauch wächst dein Kind. Wozu bräuchte ich dann fremde Fürsten, die mit mir Nachkommen zeugen sollen?«
    Es klang überzeugend, was sie vorbrachte - und dennoch gab es da etwas in ihrem Tonfall, das ihn stutzig machte. Sie klang genauso blasiert wie Nofretete, die ihn missachtet und beleidigt hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Keine einzige Begegnung, bei der sie ihn nicht hochmütig hätte spüren lassen, dass er nichts anderes als ein Bastard war.
    »Vielleicht weil du das Abbild deiner toten Mutter bist?«, antwortete Tutanchamun. »Einer Frau, die einen Stein in der Brust hatte, da, wo bei anderen das Herz schlägt?«
    »Lass meine Mutter aus dem Spiel!«, rief Anchesenamun. »Sie ist tot und hatte schon mehr als genug zu ertragen.«
    »Ich habe sie niemals gemocht, weißt du das? Sogar gehasst habe ich sie. Der ganze Pomp, den sie ständig brauchte! Dieser nervtötende Tanz um ihre Schönheit! Meine Mutter Kija war mindestens so schön wie sie, aber musste man deswegen vor ihr auf den Knien liegen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang? Unseren Vater hat deine Mutter Nofretete ganz krank gemacht mit ihrer Arroganz und Herrschsucht. Ein anderer als ich hätte ihre Mumie in den verwahrlosten Gräbern der Sonnenstadt zurückgelassen, doch ich habe sie zusammen mit Vater und den anderen Familienmitgliedern ins Tal der Könige umbetten lassen, damit sie ein Leben für die Ewigkeit hat.«
    »Lügner!« Anchesenamun war blitzschnell aufgesprungen.
»Gar nichts hast du! Ihre Mumie wurde geschändet - und die unseres Vaters mit dazu. Das haben deine Leute zu verantworten, mein geliebter Gemahl. Leute, die dich auf den Thron gebracht haben!«
    »Was redest du da?« Tutanchamun umklammerte den Bettpfosten. »Wer hätte so etwas tun sollen?«
    »Leute, die alles vernichten und vom Erdboden tilgen wollten, was jemals mit Echnaton und Nofretete verbunden war! Leute, denen sein fester Glaube an den einzigen Gott Aton stets ein Dorn im Auge geblieben ist, auch wenn sie selber heuchlerisch vorgaben, ihm zu huldigen. Uns beide haben sie gezwungen, die alten Namen abzulegen und neue anzunehmen, damit so schnell wie möglich alles vergangen und vergessen ist. Du könntest sie ja fragen, zumindest die, die noch am Leben sind - aber was würde dir das schon bringen? Sie würden dich doch nur wieder mit dreisten Lügen abspeisen!«
    »Das ist nicht wahr«, beharrte er. »Das glaube ich dir nicht!«
    »Dann lass doch mal nachsehen, was man in deinen schönen neuen Gräbern finden wird«, schrie sie. »Ich weiß genau, was damals geschehen ist. Ich war nämlich dabei und musste alles mitansehen, während man dich kleinen Jungen abgelenkt hat, damit der künftige König nur ja nichts davon mitbekommt. Das Volk hat vor Vergnügen gepfiffen und gejohlt, jenes grausame Volk, das noch kurz zuvor vor meinen Eltern auf die Knie gefallen war und sie wie Götter angebetet hatte …«
    Sie stieß einen kleinen Schrei aus, presste die Hände auf den Bauch und ließ sich langsam zurück auf das Bett sinken.

    »Ich darf mich nicht aufregen«, murmelte sie. »Das hat der Sunu mir dringend eingeschärft. Nicht, wenn dieses Kind gesund zur Welt kommen

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