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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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soll.«
    Der Pharao hatte sich erhoben. Als er zu reden begann, klang seine Stimme kalt.
    »Ich werde Maya auf der Stelle mit den Nachforschungen beauftragen. Die Gräber werden geöffnet. Alle! Mit eigenen Augen werde ich mich davon überzeugen, und wenn tatsächlich stimmt, was du an Ungeheuerlichem behauptest …«
    »Ja?« Ihre Augen glänzten wie im Fieber. »Was dann, innigst geliebter Goldhorus?«

ZEHNTES KAPITEL
    S ie haben Ani eingesperrt!« Mit wächsernem Gesicht kam Taheb in den Küchenhof gestürzt.
    Anuket rutschte vor Schreck fast die Mehlschüssel vom Schoß, während Miu unwillkürlich nach Sadehs Hand griff. Raia war die Einzige, die halbwegs kühlen Kopf bewahrte.
    »Was soll das heißen?«, fragte sie. »Wer hat ihn eingesperrt? Und weshalb? So rede endlich, Taheb!«
    »Wie könnte ich das, wo ich doch selber so gut wie nichts weiß!« Tahebs jämmerlicher innerer Zustand war ihr auch äußerlich anzusehen: die Augen vom Weinen dick geschwollen, die Haut fahl, ein flackernder Blick, der ihre Angst verriet. »Ani ist vorgestern nicht von der Nachtwache nach Hause gekommen, und zuerst hab ich mir nichts Böses dabei gedacht, weil ich nämlich glaubte, man hätte ihn vielleicht zu einem zusätzlichen Dienst eingeteilt. Nefer war es, der als Erster unruhig geworden ist, ausgerechnet er, der im letzter Zeit so oft Streit mit seinem Sohn …«
    Sie hielt inne, als wäre ihr plötzlich etwas Wichtiges eingefallen.
    »›Ich glaube, Userkaf hasst mich‹«, stieß sie hervor. »Das hat der Junge erst vor wenigen Tagen zu mir gesagt. Danach
hat es ihm natürlich sofort leidgetan, ihr wisst ja, wie Ani ist: Er frisst immer alles in sich hinein. Mit ebenjenem Userkaf habe ich gerade gesprochen - er hält meinen Jungen für einen Grabräuber und deshalb hat er ihn auch verhaftet und eingesperrt!«
    »Wer ist dieser Userkaf?«, wollte Raia wissen. »Mir scheint, als hätte ich den Namen schon einmal gehört.«
    »Anis Vorgesetzter«, rief Miu und sprang aufgeregt herum. »Eigentlich sollte er uns helfen, den Mann mit dem Geierprofil ausfindig zu machen, aber er hat nichts unternommen, gar nichts!«
    »Ani ein Grabräuber? Ganz und gar unmöglich! Um diese Verbrecher zu stellen, hat er wochenlang seinen Schlaf geopfert. Sogar tagsüber hat er sich auf die Lauer gelegt, das weiß ich von Iset, weil er ihr nämlich geholfen hat, als ihr beim Heimgehen übel wurde. Außerdem würde Ani doch niemals etwas anrühren, das ihm nicht gehört. Das kann nur ein Irrtum sein!«
    Aber noch während sie redete, war ihr plötzlich, als griffen Seths eiserne Krallen nach ihrem Herzen. Keine zwei Tage war es her, da war im Garten neben ihr eine Ringeltaube vom Baum gefallen, am Kopf blutend, wie von einer unsichtbaren Steinschleuder getroffen. Ein böses Omen, wie Miu sofort gedacht hatte. Natürlich hatte sie diesen Gedanken gleich wieder wegschieben wollen, doch er war äußerst hartnäckig gewesen und hatte sich tief in ihr eingenistet.
    Sollte sich jene dunkle Vorahnung nun bewahrheiten?
    Nicht Ani, dachte Miu verzweifelt. Bitte nicht er!
    Jetzt kam ihr die eigene Verstimmung der letzten Tage nur noch kindisch und selbstsüchtig vor. Während sie sinnlos
vor sich hin geschmollt hatte, bezichtigte man ihn eines schwerwiegenden Verbrechens, das ihn das Leben kosten konnte.
    Was hätte sie alles dafür gegeben, um jetzt bei ihm sein zu können!
    »Wie konnte er nur in diesen schrecklichen Verdacht geraten?«, fragte Sadeh.
    »Ich hab nicht die geringste Ahnung!«, antwortete Taheb. Sie haben mich ja nicht zu ihm gelassen. Nur von außen durfte ich dieses erbärmliche Loch sehen, in das sie ihn gesteckt haben - eine Art Verschlag, ohne Licht und Luft. So niedrig, dass er kaum aufrecht stehen kann! Er wird bestimmt große Schmerzen in seinem kranken Bein haben, das er dem Pharao und dessen Kriegszug nach Kusch verdankt …« Vor Weinen konnte Taheb nicht weiterreden.
    »Anis Unschuld wird sich bestimmt bald herausstellen«, versicherte Miu betont zuversichtlich, auch wenn es in ihr gerade ganz anders aussah. »Er war doch nicht allein bei der Nachtwache. Wir sollten mit seinem Kollegen reden, diesem …«
    »Imeni!«, schluchzte Taheb. »Das hab ich Nefer auch schon vorgeschlagen. Doch mein Mann sitzt nur wie versteinert herum und bringt kein Wort heraus, als ob er auf einmal seine Zunge verschluckt hätte. Auf Grabräuberei steht die Todesstrafe, und wenn sie mir meinen einzigen Jungen wegnehmen, will ich auch nicht mehr

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