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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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gerade Dattelbier anbieten, als plötzlich die Tür aufflog.
    Ein Trupp Bewaffneter drang in den Raum, allen voran ein sehniger junger Hauptmann.
    »Bist du der Balsamierer Ramose?«, bellte er.
    »Der bin ich. Aber was …?«
    »Du bist verhaftet! Wegen Grabräuberei. Angeblich soll sich ein besonders kostbares Amulett aus einem geschändeten Königsgrab in deinem Besitz befinden. Wo ist es?«
    Ramose überlief es heiß und kalt. Seine Kunden öffneten und schlossen ihre Münder in stummem Entsetzen.
    Der Herzskarabäus! Aber woher wussten sie …?
    Der Hauptmann zielte mit seiner Dolchspitze direkt auf Ramoses Kehle.

    »Gib das Amulett freiwillig heraus - oder ich lasse deine Bude so gründlich durchsuchen, dass du sie nicht mehr wiedererkennst!«
    Was sollte er tun?
    Leugnen hatte wenig Sinn, denn offenbar waren sie bestens informiert. Ihnen den Skarabäus jedoch auszuhändigen, würde seine Schuld offiziell besiegeln.
    »Ich bin kein Grabräuber«, beteuerte Ramose in einem verzagten Versuch, sich reinzuwaschen. »Das müsst ihr mir glauben! Jemand erpresst mich und hat mir…«
    »Schnauze!« Die kalten Augen des Hauptmanns waren auf einmal ganz nah. Er drückte den Dolch fester gegen Ramoses Kehle.
    Ramose verspürte ein unangenehmes Brennen. Würde er ihm im nächsten Moment die Kehle durchschneiden? Angst stieg in ihm hoch und machte alles taub und kalt.
    »Wir sind nicht an Ausreden interessiert«, fuhr der Hauptmann noch drohender fort. »Sondern einzig und allein an dem Amulett. Also?«
    Die Zunge klebte Ramose am Gaumen und in seinen Schläfen pochte es. Wahrscheinlich würde ihm im nächsten Augenblick der Schädel platzen, so verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Hier ging es um alles, was er jemals geschaffen hatte. Sein Wirken, sein Leben, seine zweite Chance nach dem Untergang der Sonnenstadt, für die er einen so hohen Preis bezahlt hatte!
    Sein Zögern schien dem Hauptmann zu lange zu dauern. Er nickte den Männern zu.
    »Fangt an!«, sagte er. »Und tut euch keinen Zwang an. Er will es offenbar nicht anders.«
    »Aber das dürft ihr nicht!«, rief Ramose verzweifelt. Wo
steckte nur dieser verdammte Ipi, der sonst ständig um ihn herumschwänzelte und jetzt wie vom Erdboden verschluckt schien, wo er ihn einmal gebraucht hätte? »Die Menschen, die uns ihre Toten anvertraut haben, verdienen Würde und Respekt. Das Gleiche gilt erst recht für die Mumien. Wer ihre Ruhe stört oder sie sogar besudelt…«
    »Besudeln? Was erlaubst du dir?« Der harte Schlag, den der Hauptmann ihm auf die Wange versetzte, ließ ihn taumeln. Er hatte gut getroffen. Ramose spürte, wie das Fleisch unter den Wangenknochen zu schwellen begann. »Und das von einem wie dir, der nicht mal vor der Würde toter Könige zurückschreckt! Noch ein Wort - und du wirst deine Zähne einzeln vom Boden aufklauben können!«
    Das Kundenpaar saß wie festgeklebt auf seinen Hockern, hatte die Augen weit aufgerissen und wagte kaum noch zu atmen. Trotz seines Schmerzes musste Ramose an das denken, was die beiden bald schon anrichten würden. Wenn sie in Waset verbreiteten, was sie hier gesehen hatten, war er für alle Zeiten ruiniert!
    In seinem Kopf ging alles drunter und drüber, und für einen schrecklichen Moment wusste er plötzlich selber nicht mehr, wo er den Herzskarabäus eigentlich verwahrt hatte. Dann fiel es ihm wieder ein. An jenem Tag war es ihm klug erschienen, doch inzwischen hatte er seine Meinung geändert. Wie hatte er nur so unbedacht und naiv sein können! Das war ein mehr als jämmerliches Versteck, das sie bestimmt bald …
    »Ich hab da was gefunden!« Einer der Bewaffneten kam aufgeregt zurück. Die anderen suchten weiter. Ramose
hörte, wie es rumpelte und krachte, als wären sie darauf aus, seine Werkstatt in ihre Einzelteile zu verlegen.
    »Nein.« Der Hauptmann schüttelte den Kopf, als er das Udjat-Auge sah, das sein Untergebener ihm entgegenstreckte. »Mach die Augen beim nächsten Mal besser auf, verstanden! Das ist nur billige Massenware, wie du sie überall bekommst. Weitersuchen!«
    »Meister!« Zwei der Arbeiter, die Ramose schon seit vielen Jahren beschäftigte, hatte der Tumult aufgeschreckt. Eingeschüchtert standen sie plötzlich in der Tür. »Was geht hier denn vor? Die Soldaten …«
    »Verschwindet!«, rief der Hauptmann. »Und haltet euch gefälligst aus allem raus - sonst nehmen wir euch auch gleich fest!«
    Sie gehorchten blitzschnell.
    Ein paar Augenblicke lang schien es ruhiger zu werden

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