Der Kuss Des Daemons
abstürzte, reagierte er nicht auf mich. Stur blickte er geradeaus. Jeder Zentimeter an ihm war starr und verkrampft. Es musste etwas mit dem zu tun haben, was im Tagebuch meiner Mutter gestanden hatte und mir dem Namen meines Vaters. Nur was?
Schneller, als ich erwartet hatte, erreichten wir mein Zuhause. Ich wurde unsanft gegen seinen Rücken gepresst, als er hart bremste. Er packte mich am Arm, zog mich von seiner Maschine und stieß mich zurück. Um ein Haar wäre ich gefallen. Obwohl ich den Ausdruck in seinen Augen nicht zu deuten vermochte, jagte er mir einen Schauer über den Rücken.
»Halt dich von mir fern und vergiss, dass wir uns kennen. Es ist aus und vorbei!«, fauchte er mich noch einmal an, dann wendete er die Blade auf der Stelle und jagte davon. Verwirrt und verletzt und gleichzeitig wütend und benommen sah ich seinem Rücklicht nach, bis es endgültig verschwunden war. Was war nur geschehen?
Warum war er plötzlich so wütend auf mich? Ich verstand es nicht.
Als ich mich schließlich umdrehte, stand Onkel Samuel in der Haustür. Ich hatte nicht gewusst, dass er vorgehabt hatte mich zu besuchen. Auch er starrte Julien seltsam angespannt hinterher, dann sah er mich an.
»Was hast du mit diesem Kerl zu schatten?«, fragte er mich scharf, nur um dann mit einiger Verspätung ein »Wer war das?« hinterherzuschicken.
Ich mied seinen forschenden Blick. »Das war Julien. Und ich schätze, man konnte ihn als meinen Exfreund bezeichnen.« Die Hände unter die Achseln geschoben stapfte
ich
mit
hochgezogenen
Schultern
die
Eingangstreppe hoch und an ihm vorbei. Mir stand nicht der Sinn nach einem Verhör. Ich wollte nur noch in mein Zimmer. In meinen Augen brannten Tränen. Es war nicht nötig, dass er mich heulen sah. Er stand noch immer an der Tür, als ich schon halb die Treppe hinauf war, und schaute mir mit schmalem Blick nach. Ich flüchtete die restlichen Stufen hinauf, knallte meine Tür hinter mir zu und drehte den Schlüssel im Schloss. Ich wollte niemanden sehen!
Niemanden! Vor meinen Augen verschwamm alles und ich warf mich schluchzend auf mein Bett. Julien hatte erneut mit mir Schluss gemacht, ohne dass ich überhaupt wusste weshalb. Das Elend schlug über mir zusammen, ich vergrub mein Gesicht in den Kissen und weinte.
Hässliche Wahrheiten
Höhnisch begrüßte strahlender Sonnenschein mich am nächsten Morgen in meinem Elend. Mein Oberkiefer pochte vor Schmerzen. In meinem Mund saß ein bitterer Geschmack. Ich trug noch immer meine Kleider von gestern. Mir war übel und ich fühlte mich, als hätte ich keine Sekunde geschlafen. Julien hatte mit mir Schluss gemacht. Der Gedanke genügte, um einen Kloß aus Tränen in meine Kehle zu bringen. Mühsam quälte ich mich aus dem Bett und ins Bad. Meine Augen waren vom Weinen rot verquollen. Kaltes Wasser half nicht wirklich, obwohl ich den Waschlappen minutenlang auf meinem Gesicht liegen ließ. Ich starrte mein Spiegelbild an. Es starrte zurück. Verwirrt, verletzt und auch irgendwie zornig. Warum hatte Julien mit mir Schluss gemacht? Was hatte ich getan? Oder nicht getan? Es war doch alles in Ordnung gewesen, bis er den Namen meines Vaters ... Verdammt! Das Tagebuch meiner Mutter. Er hatte mir nicht die Möglichkeit gelassen, es vom Boden aufzuheben, als er mich aus dem Haus gezerrt hatte. Ich schleuderte den Lappen ins Waschbecken, zog mich aus, stieg unter die Dusche und drehte das Wasser voll auf. Während der heiße Strahl auf mich herabprasselte, stand ich mit gegen die Fliesen gestemmten Händen darunter und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Nach und nach gewann der Zorn die Oberhand. Ich würde es nicht einfach hinnehmen, dass Julien DuCraine mich so abrupt aus seinem Leben stieß »Halt dich von nur fern und vergiss, dass wir uns kennen. Es ist aus und vorbei!«, hatte er gesagt. Idiot!
Aus und vorbei. Vielleicht, aber warum? Ich hatte zum Teufel noch mal ein Recht darauf, auch das Warum zu erfahren. Es hatte irgendetwas mit dem zu tun, was im Tagebuch meiner Mutter stand, dessen war ich mir sicher. Und ich würde Julien dazu bringen, mir zu sagen, was genau es war. Außerdem wollte ich das Tagebuch zurückhaben. Energisch stellte ich das Wasser ab, angelte mir ein Handtuch und stieg aus der Dusche. »Halt dich von mir fern« hin oder her: Ich würde in der Schule mit ihm reden!
Das heiße Wasser konnte die Spuren meiner
durchheulten Nacht nicht ganz tilgen, ich musste mit Abdeckstift und ein wenig Make-up nachhelfen.
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