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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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auch noch deswegen sein.
    Ich brachte den Morgen hinter mich - irgendwie. Auf Beth und Susans besorgte Fragen, was denn mit mir los sei, antwortete ich mit Ausflüchten. Dass ich Streit mit meinem Onkel gehabt hatte, weil der nicht wollte, dass ich mich mit Julien traf, und dass er mir deswegen Hausarrest gegeben hatte. Von dem, was zwischen Julien und mir vorgefallen war, erzählte ich ihnen nichts. Ich konnte nicht. Es war fast so, als würde ich es mir selbst eingestehen, dass es zwischen uns aus war, wenn ich es ihnen gegenüber laut ausgesprochen hätte. Ich war ihnen dankbar, dass sie sich mit meiner Antwort zufrieden gaben und es akzeptierten, dass ich allein sein wollte. Doch vor allem Beth schien mich nur sehr ungern mir selbst zu überlassen.
    In den Pausen suchte ich nach Julien - erfolglos. Jeder, den ich nach ihm fragte, schüttelte den Kopf. Niemand hatte ihn bisher gesehen. Auch seine Blade stand nicht auf dem Parkplatz. Er war nicht da. Machte er blau, um mir nicht begegnen zu müssen? Es war gut möglich. Ich wusste nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Während der nächsten Stunden ertappte ich mich immer öfter dabei, wie ich mein Handy in den Händen drehte. Jedes Mal steckte ich es, wütend auf mich selbst, in meine Tasche zurück. Erst in der kurzen Pause vor der letzten Stunde konnte ich mich dazu durchringen, ihn anzurufen. Seine Mailbox ging ran. Ich drückte sie weg, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
    Nach der Schule erwartete mich Paul mit dem Rolls auf dem Parkplatz. Schweigend öffnete er mir die Tür und schloss sie auch wieder hinter mir. Durch die getönten Scheiben konnte ich Beth neben ihrem Käfer sehen. Sie blickte zu mir her. Es war, als wäre sie meilenweit von mir entfernt. Plötzlich fühlte sich alles wieder an wie früher. Ich war zurück in meinem goldenen Käfig - doch dieses Mal hasste ich es unendlich viel mehr als damals, als ich die Freiheit eines normalen Lebens noch nicht gekannt hatte. Zu Hause erwartete mich bedrückende Stille. Ella und Simon waren schon fort. Auch wenn ich gehofft hatte, mich zumindest von ihnen verabschieden zu können, hatte ich doch irgendwie nichts anderes erwartet. Paul teilte mir mit, dass mein Onkel bei einem geschäftlichen Treffen außer Haus sei und erst heute Abend zurückkommen würde. Ich nahm es zur Kenntnis und ging - eigentlich ohne zu wissen warum - in die Küche. Im Herd wartete eine Spinatlasagne auf mich. Ella hatte mir zum Abschied noch einmal meine Leibspeise gekocht. Um ein Haar hätte ich losgeheult. Doch mein Appetit verließ mich, als mir ihr Geruch in die Nase stieg. Ich ließ die Lasagne, wo sie war, kochte mir stattdessen eine Tasse von meinem Tee und verzog mich in mein Zimmer. Meine Sachen landeten achtlos vor dem Schreibtisch, dann schob ich eine CD in den Player und setzte mich mit eng an den Leib gezogenen Beinen auf die Bank unter meinem Fenster. Eine ganze Weile drehte ich die Tasse in den Händen, während ich einfach nur still hinausblickte und von Zeit zu Zeit über den dampfenden Tee pustete, damit er schneller abkühlte. Ich verzog das Gesicht, als ich schließlich den ersten Schluck nahm. Er schmeckte heute anders. Irgendwie schwerer und mehr nach Salz und Kupfer. Für einen Moment erwachten die Zahnschmerzen in meinem
    Oberkiefer mit einer solchen Intensität, dass ich mir unwillkürlich an den Mund fasste, und auf der Suche nach einem Grund für die Schmerzattacke mit der Zunge über die Zähne fuhr, ich konnte aber nichts fühlen. Zögernd nahm ich einen weiteren Schluck Tee. Die Schmerzen ließen nach. Vier oder fünf Schlucke später waren sie wieder gänzlich verschwunden.
    Draußen wurde es schon dunkel, als ich meinen Platz am Fenster verließ und mich zwang meine Hausaufgaben zu machen. Zumindest versuchte ich es, doch mein Blick hing die meiste Zeit an meinem Handy, und unzählige Male streckte ich die Hand danach aus, nur um sie unverrichteter Dinge wieder zurückzuziehen. Aber mindestens ebenso oft wählte ich Juliens Nummer und jedes Mal ging seine Mailbox ran, ohne dass es überhaupt geklingelt hätte. Stets unterbrach ich die Verbindung, bis ich mich dann irgendwann tatsächlich dazu durchringen konnte, ihm eine Nachricht zu hinterlassen, auch wenn es nicht mehr war als ein hilfloses: »Wir müssen reden. Bitte melde dich!«
    Während der Abend voranschritt und ich vergebens auf Juliens Rückruf wartete, hörte ich, wie unten immer wieder Türen klappten. Manchmal drangen

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