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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Ausländer entführt wurden. Fragte sich nur, warum sie dann nie eine Lösegeldforderung gestellt hatten. Vielleicht weil die kolumbianischen Behörden ihren Fehler vertuschen wollten? Aber weshalb hatte sich Rafe dann nach seiner Befreiung – oder gar einer dramatischen Flucht! – nicht bei ihr gemeldet und trieb sich stattdessen in Paris herum? Wilde Szenarien aus Hollywoodfilmen wirbelten ihr durch den Kopf. Wenn jemand meine Gedanken lesen könnte, würde er mich für völlig durchgeknallt halten.
    Mechanisch stieg sie aus und ließ sich von der Menge durch die weißen Röhren zu ihrer Anschlussmétro treiben. War es überhaupt denkbar, dass man ihnen eine falsche Leiche untergeschoben hatte? Rebecca, Rafes ältere Schwester, war extra nach Bogotá geflogen, um ihn zu identifizieren.
    Sophie kramte das Handy aus ihrer Umhängetasche. Sie musste sichergehen, dass ein Irrtum ausgeschlossen war. Aber wie sollte sie es Rebecca erklären? Rasch drückte sie auf die Taste mit dem altmodischen Telefonhörer, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Nach einigem Läuten meldete sich eine übertrieben freundliche Stimme: »Sie sind verbunden mit der Mailbox …«
    Enttäuscht ließ Sophie das Handy sinken. Sie war zu aufgewühlt, um eine beiläufig klingende Nachricht herauszubringen, und wollte Rebecca nicht beunruhigen. Vermutlich stand sie gerade in irgendeinem OP oder lag nach einer 24-Stunden-Schicht im Tiefschlaf. Für Assistenzärzte gab es eine Menge Gründe, das Handy abzuschalten. Sie konnte nur hoffen, dass Rebecca den entgangenen Anruf irgendwann entdecken und sich bei ihr melden würde.
    Den ganzen Vormittag hindurch schweiften Sophies Gedanken immer wieder vom Unterricht ab. Im Vortrag zum französischen Handelsrecht vergaß sie, sich Notizen zu machen. Die Korrekturen im Sprachlabor wiederholte sie wie ein Automat, und im Konversationskurs war sie so abwesend, dass Francesca ihr unterm Tisch einen Wecktritt verpassen musste, als der Lehrer sie nach ihrer Meinung fragte. Dabei drehten sich ihre Überlegungen ständig im Kreis. Die einfachste Erklärung war, dass irgendein Fremder Rafael zum Verwechseln ähnlich sah. Doch so einleuchtend diese Antwort auch war, alles in Sophie sträubte sich, sie zu akzeptieren. Solange auch nur eine winzige Chance bestand, dass sie den echten Rafe gesehen hatte, würde sie nicht so tun können, als sei nichts geschehen.
    In der Mittagspause setzte sie sich von den anderen ab, holte sich eine der kleineren, belegten Baguettevariationen, die es an jeder Ecke zu kaufen gab, und setzte sich auf eine Parkbank am Palais Royal. Tauben trippelten zu ihren Füßen, um die Krümel aufzupicken. Wieder und wieder spielte Sophie die Szenarien durch, die Rafe möglicherweise aus Deutschland ferngehalten hatten. Sie kannte ihn – wenn er wirklich noch lebte, musste er sich bewusst dafür entschieden haben, unterzutauchen. Und niemals hätte er ihr und seiner Familie so viel Leid zugefügt ohne einen verdammt triftigen Grund. Vielleicht will er uns schützen. Vielleicht hat er sich mit Drogenkartellen angelegt und will uns nicht in Gefahr bringen. Ein selbstloser Kreuzzug gegen Drogenbosse, ja, das würde zu dem Rafael passen, den sie kannte. Aber er war weder Ermittler noch Geheimagent, sondern angehender Arzt …
    Sophie erschrak, als ihr Handy klingelte. Beinahe hätte sie das Brot fallen gelassen. Rasch bettete sie es auf der Serviette neben sich auf die Bank, riss die Tasche auf und das Handy ans Ohr. »Ja, hallo?«
    »Sophie? Stör ich gerade? Du hörst dich gehetzt an.« Rebeccas Stimme klang blechern, als werde sie direkt aus der Raumstation ISS übertragen.
    »Nein, alles bestens. Ich sitze im Garten des Palais Royal beim Mittagessen.«
    »Ach, stimmt ja!«, rief Rafes Schwester überrascht aus. »Du bist in Paris. Da wär ich jetzt auch gern. Auf unserer Station ist wieder die Hölle los, aber davon hab ich dir ja schon oft genug vorgejammert. Wolltest du nur mal hören, wie’s mir so geht, oder hast du aus einem bestimmten Grund angerufen?«
    Sofort regte sich Sophies schlechtes Gewissen, weil sie sich so lange nicht bei Rebecca gemeldet hatte. Einen Bruder zu verlieren, war schließlich auch ein schwerer Schlag. »Ich … wollte mit dir reden. Hier in Paris kommt mir alles so unwirklich vor. Ich meine, dass Rafe tot sein soll. Ich …« Mein Gott, wie verpacke ich es? »Ich glaube, es liegt daran, dass ich ihn nie tot gesehen habe. Verstehst du? Es ist, als

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