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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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dunkle Ecke, jeden Torweg, nur um vor weiteren in die Schatten gekauerten Clochards zu erschrecken.
    Endlich erreichte sie das Ende der Gasse und sah sich rasch nach allen Seiten um. Nichts. Eine kaum breitere Straße, durch die eine Vespa surrte, bevor die Gegend wieder in nächtlicher Stille versank. Sophie spürte Tränen in ihre Augen steigen und kämpfte dagegen an. Ich hab mir die drei nicht eingebildet! Sie müssen in einem der Häuser sein.
    Da sie im Gegensatz zu ihr nicht gerannt waren, konnten sie nicht viel weiter als bis zur Mitte der Gasse gekommen sein. Sollte sie die Obdachlosen fragen? Möglicherweise war einer von ihnen nüchtern genug, um ihr weiterzuhelfen. Aber war es klug, betrunkene Männer darauf aufmerksam zu machen, dass sie allein durch die Gegend irrte? Nicht alle Stadtstreicher waren romantische Ritter der Gosse, die sich ihre Ehre bewahrt hatten, und Geld konnten sie im Zweifelsfall alle brauchen. Nein, sie sprach besser niemanden an. Und ich sollte auch nicht länger hier stehen wie eine Bordsteinschwalbe, die auf Kundschaft wartet.
    Sie holte tief Luft – nicht nur, um sich gegen den Gestank zu wappnen. Es fiel ihr schwer, die dämmerige Gasse noch einmal zu betreten. Sie kam ihr vor wie der Graben, in den ein schicksalhafter Regen sämtlichen Abschaum der Stadt gespült hatte. Was sagte es über Rafe und sie aus, dass es sie ausgerechnet hierher verschlagen hatte?
    Schritte näherten sich die Straße herauf. Aus dem Augenwinkel sah Sophie eine einzelne Gestalt in dunkler Kleidung. Wer es auch sein mochte, sie wollte nicht angetroffen werden, wie sie mutterseelenallein herumstand und Wurzeln schlug. Fluchtartig stürmte sie los, dieses Mal ohne nach rechts und links zu blicken. Ein genöltes »Is’ jetz’ endlich mal Ruhe?« ging im Stakkato ihrer Schritte so unter, dass sie es mehr ahnte als hörte. Erst als sie annähernd die Hälfte der Gasse hinter sich wusste, ging sie wieder langsam, lauschte, musterte Türen und Durchlässe, so gut es im Zwielicht möglich war. Ihr Körper spannte sich in der Erwartung neuer Schrecken. Warum zum Teufel tat sie sich das an? Sie konnte nicht einmal sicher sein, dass sie sich für den echten Rafe in Gefahr brachte. Noch hatte sie sein Gesicht nicht aus der Nähe gesehen …
    Sie merkte auf. Was eben noch ein kaum wahrnehmbares Geräusch gewesen war, entpuppte sich als Stimme. Eine Stimme, die nun laut und zornig wurde. Andere fielen ein. Sophie schwankte zwischen Angst und Hoffnung. Sie wollte nicht in einen Streit geraten, der sie nichts anging, aber sie musste nachsehen, ob Rafe daran beteiligt war. Eilig hielt sie auf die Quelle der Stimmen zu, die nun wieder leiser wurden, als hätten sie gemerkt, dass sie unerwünschte Aufmerksamkeit erregten.
    Sie drangen rechter Hand aus einem schmalen Durchlass, der in einen Hinterhof führte. Die Passage selbst war in tiefe Dunkelheit getaucht, doch dahinter konnte Sophie im Mondlicht mehrere Gestalten erspähen. Am hellen T-Shirt glaubte sie, Rafe wiederzuerkennen, und der Kerl, der gerade einen anderen Mann am Kragen packte, war eindeutig der mit der Halbglatze. Sophie schluckte nervös. Was nun? Instinkt und Vernunft hatten sich verbündet und raunten ihr zu, schleunigst zu verschwinden, doch ihr Herz weigerte sich. Ich muss wissen, ob es Rafe ist. Wenn nicht … konnte sie sich immer noch auf dem schnellsten Weg aus dem Staub machen.
    Aber wie sollte sie Gewissheit bekommen? Seine Stimme! Es war möglich, dass er einen Doppelgänger hatte, aber dass der auch noch dieselbe Tonlage und einen deutschen Akzent hatte, das war ausgeschlossen.
    Jetzt, da sie wieder leiser sprachen, musste sie näher heran. Wachsam pirschte sie sich in den Durchgang vor. Dort war es so finster, dass die Streithähne sie bestimmt nicht sehen würden, solange sie sich nicht zu weit vorwagte.
    Ein schwaches Aufglänzen warnte sie gerade noch rechtzeitig, bevor sie über ein altes Fahrrad stolpern konnte, das jemand an die Wand gelehnt hatte. Sie schlich daran vorbei, bemühte sich, etwas zu sehen, bevor sie einen Fuß vor den anderen setzte. Wenn sie auch nur gegen eine einzige achtlos hingeworfene Coladose trat, waren die Typen hinter ihr her.
    Allmählich hatten sich ihre Augen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie jenseits des Fahrrads in der rechten Wand einen türbreiten Eingang ausmachen konnte, wo die Schatten noch schwärzer waren. Ein bedrückendes Gefühl warnte sie davor, dieser finsteren Höhle den

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