Der Kuss des Greifen (German Edition)
dass sie es genoss, ihm diese Freude zu machen. Davon abgesehen – wen würde das alles schon kümmern, wenn sie in zwei Wochen starb?
»Also gut«, sagte sie. »Du kannst mir etwas bestellen, wenn du möchtest. Wenn es mir nicht gefällt, kann ich immer noch meine eigenen Sachen anziehen.«
»Natürlich«, sagte er. »Welche Größe trägst du?« Er ließ die Hände seitlich an ihrem Körper hinabgleiten, um ihre schmale Taille zu erkunden. »Ich schätze Größe sechsunddreißig. Deine Schuhgröße?«
Nun lächelte sie wirklich. »Neununddreißig. Schmal. Ich will gar nicht wissen, woher du Damengrößen so genau einschätzen kannst. Ich kann es mir denken.«
»Keine von ihnen hat mir irgendetwas bedeutet, Darling«, sagte er, und seine heisere Stimme wurde noch tiefer.
Wieder wallte das Begehren auf, begleitet von dem Drang, ihn zu beißen. »Ich gehe duschen«, brachte sie mühsam heraus.
»Viel Spaß«, sagte er. Dieser benommene Ausdruck auf ihrem Gesicht war so gottverdammt sexy. Hätten sie nicht vor so ernsthaften Problemen gestanden, er hätte ihr vorgeschlagen, mitzukommen. Vorhin hatte er sie verschlungen, und nun wollte er sie genüsslich auskosten. Bei der Vorstellung, mit ihr unter dem heißen Wasserstrahl zu stehen und ihre üppigen Kurven einzuseifen, an denen er sich bisher kaum hatte erfreuen können, von ihrem Geschmack einmal ganz zu schweigen, wurde er so hart, dass es richtig schmerzte. Aber sie hatte recht – sie hatten so viel zu tun und so wenig Zeit dafür. Er biss die Zähne zusammen und ließ sie los.
Und weil er so verdammt brav war, gönnte er sich eine Belohnung und sah den schönen Rundungen ihres Hinterns nach, der sanft hin und her schwang, während sie in Richtung Bad ging. Sie sah himmlisch aus, und ihre Bewegungen waren die reine Sünde. Sie blieb stehen, um eines der Messer aufzuheben, das sie auf die Couch geworfen hatte, und seine Augenbrauen fuhren in die Höhe. Er fragte sich, was sie vorhatte. Was für eine unbegreifliche, irrsinnig heiße, böse Hexe. Es war, als würde man einen Krimi lesen, nichts als Cliffhanger und rauchende Knarren – aber es machte viel mehr Spaß.
Die Suite hatte zwei Badezimmer. Carling verschwand im nächstliegenden, und er zwang sich, sachlich zu werden.
Sein erster Anruf galt dem Aspekt, der am meisten Zeit in Anspruch nehmen würde. Von der Zentrale ließ er sich mit dem Cook-County-Leichenschauhaus von Illinois verbinden und durchlief eine lange Folge von Sprachansagen, bis er den ärztlichen Leichenbeschauer in der Behörde für Paranormale Angelegenheiten erreichte. Er hatte sich darauf vorbereitet, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen, und war deshalb positiv überrascht, als Seremela abnahm und sagte: »Hier Dr. Telemar. Machen Sie es kurz, sonst langweile ich mich und lege auf.«
»Seremela«, sagte Rune. »Wie geht es dir?«
Überraschung und Freude ließen die Stimme der Meduse wärmer klingen. »Rune! Wie schön, von dir zu hören. Mir geht’s gut, vielen Dank. Hier ist es ziemlich ruhig geworden. Seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, hatten wir keine einzige Leiche mehr in meinem Büro. Wie geht es dir? Wie war deine Reise nach Adriyel?«
Er lächelte. Das war ihre höfliche Art zu sagen, es sei ruhig geworden, seit Tiago und Niniane Chicago verlassen hatten. »Es geht mir gut, danke. Adriyel war ereignisreich, aber zumindest hat die Krönung stattgefunden, und als ich zuletzt von ihnen gehört habe, ging es Niniane und Tiago gut. Hör zu, ich fürchte, ich muss direkt auf den Punkt kommen. Ich bin hier in San Francisco in eine Sache verwickelt, die sehr dringend geworden ist. Und ich hatte gehofft, du könntest mir mit einer Konsultation weiterhelfen.«
»Das klingt spannend«, sagte Seremela. »Und du weißt ja bereits, dass mein Arbeitspensum im Moment nicht gerade hektisch aussieht. Worum geht es?«
»Das kann ich dir nicht am Telefon erklären«, sagte er. »Die Konsultation müsste persönlich erfolgen. Aber du würdest großzügig für die Zeit entschädigt werden, und natürlich werden alle Reisekosten erstattet.« Dafür würde er persönlich sorgen. Er wartete einige Augenblicke, dann sagte er: »Ich brauche dich hier, Seremela, schnell. Es geht um Leben und Tod.«
Der Klang seiner eigenen Worte war für ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Scheiße, es ging wirklich um Leben und Tod. Carlings Leben. Und Carlings Tod. Ihm brach der kalte Schweiß aus.
Keine Panik, Sohn.
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