Der Kuss des Greifen (German Edition)
Erledige deine Aufgaben.
Seremelas eben noch erfreute Stimme wurde traurig. »Natürlich«, sagte sie so prompt, dass er sie dafür hätte küssen können. »Ich helfe dir sehr gern. Ich werde den ersten Flug buchen, den ich kriegen kann.«
Er rieb sich den Nacken. »Ich werde lieber etwas für dich chartern. Dann bist du schneller hier.«
»Dann lege ich wohl besser auf, damit ich nach Hause gehen und meine Tasche packen kann«, sagte Seremela. »Ich fahre direkt zum … O’Hare-Flughafen?«
»Das müsste gehen. Gib mir bitte deine Handynummer, damit ich dich unterwegs erreichen kann, wenn es nötig ist.« Sie ratterte eine Reihe von Zahlen runter, und er notierte sie schnell. »Seremela. Dafür schulde ich dir einen mächtig großen Gefallen. Vielen Dank.«
»Vergiss es. Das mache ich gern. Und jetzt organisier mir den Flug.«
Sie legte auf, und Rune rief den Wyr-Dachs Tucker an, das Faktotum in Chicago, das solche Angelegenheiten kurzfristig regelte. Er war ein wortkarges, eher unfreundliches Individuum, das in seiner Isolation außerhalb des Wyr-Reichs gute Arbeit leistete. Rune machte sich nicht die Mühe zu erklären, dass er nicht im Auftrag des Wyr-Reichs handelte. Er war nicht sicher, ob Tucker den Unterschied begreifen oder sich etwas daraus machen würde.
Der Wyr-Dachs hörte zu, während Rune ihm erklärte, was er brauchte. Dann sagte Tucker: »Es geht also um Snakes on a Plane , ist es das, was du meinst?«
Rune stieß ein ersticktes Lachen aus. Tucker war so oft missmutig, dass seine schrägen, seltenen Scherze meist überraschend kamen. »Das ist so was von nicht politisch korrekt, mein Freund.«
»Deshalb lebe ich auch allein.«
»Es muss möglichst schnell gehen.«
»Ich bin dran.« Tucker legte auf.
Rune wandte sich anderen Dingen zu. Er rief beim Portier an, um nach einem persönlichen Einkäufer zu fragen, und wurde erfreulich schnell mit einer Frau namens Gia verbunden. Als er gerade dabei war, ihr zu erklären, was genau sie besorgen sollte, klopfte ein weiterer Anruf an. Rune wechselte die Leitung.
Tucker sagte: »Flug ist gechartert. Die Maschine wird für Dr. Telemar am Flughafen bereitstehen. Heute Abend ist die gute Frau Doktor bei dir.«
»Wunderbar.« Die Verkrampfung in seinem Magen ließ ein wenig nach.
»Nur damit du Bescheid weißt, die Fluggesellschaft, die wir nutzen, war übel ausgebucht. Um ein Flugzeug zu bekommen, musste ich sie dazu bewegen, einige andere Verträge zu stornieren. Das wird dich einiges kosten.«
»Der Preis spielt keine Rolle«, sagte Rune. Er holte die Einkäuferin wieder in die Leitung, gab seine Bestellung zu Ende durch und legte auf.
Was wollte Carling mit dem Messer?
Er fuhr sich gerade mit der Hand durchs Haar, da ertönte ein Klopfen an der Tür. Eine schlanke junge Frau mit einem glatten blonden Pagenkopf, die eine Hoteluniform trug, stand im Flur und lächelte. Als sie Rune sah, erstarb ihr Lächeln, und ihre Augen weiteten sich. Sie wirkte schockiert. »Oh. Mein. Gott.«
»Tut mir leid«, sagte Rune, »ich hätte ein T-Shirt anziehen sollen.«
»Nicht meinetwegen«, hauchte die junge Frau. Wie von der Schwerkraft angezogen, wanderte ihr Blick zur schmalen Gürtellinie seiner Jeans.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte Rune ungeduldig.
»Alles, was Sie wollen«, teilte sie ihm in einem erstickten Flüstern mit. Dann hob sie schlagartig den Blick, und ihre Wangen färbten sich leuchtend rot. »Oh mein Gott, es tut mir so leid. Sagen Sie niemandem, dass ich das gesagt habe. Das könnte mich meinen Job kosten.«
»Mach ich nicht.« Widerwillig lächelte er sie an. »Was ich fragen wollte, war: Warum sind Sie hier?«
»Der Direktionsassistent, Mr Rowling, schickt mich, um Sie zu warnen, dass einige Vertreter der Presse eingetroffen sind. Er ist im Augenblick unten und kümmert sich darum. Er lässt Ihnen ausrichten, wenn Sie das Hotel unbehelligt verlassen möchten, bräuchten Sie nur an der Rezeption anzurufen. Er würde dann dafür sorgen, dass Sie und die Rätin die Dienstboteneingänge benutzen können.«
»Richten Sie ihm unseren Dank aus.« Er betonte das »unseren« und konnte die Enttäuschung in ihrem Gesicht sehen. »Bei Bedarf sagen wir dann telefonisch Bescheid.« Allerdings hatte er nicht vor, Bedarf zu haben. Das war einer der Gründe, aus denen er eine Suite mit Balkon gebucht hatte. Dadurch hatte er umgehend einen privaten Ein- und Ausgang. Durch den beschränkten Platz waren die Starts und Landungen etwas
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