Der Kuss des Greifen (German Edition)
Tiefe. Ein heller Blitz durchzuckte die Luft, als die Haare Feuer fingen. Rune ließ die Hand sinken, in der er noch immer das iPhone hielt. Binnen eines Augenblicks zerfiel die Flamme zu grauem Staub und wurde vom Wind davongetragen.
Vampyrhaare. Aha.
Er fragte: »Sprichst du wieder mit mir?«
Sie warf ihm einen grimmigen Blick zu. »Das habe ich noch nicht entschieden.«
Verständlich. Für diese Dinge brauchten Frauen Zeit. Erneut klopfte jemand an der Tür der Suite. Er öffnete.
Eine elegante brünette Frau stand im Flur und neben ihr zwei Hotelpagen und zwei fahrbare Kleiderständer. Vor den Füßen der Frau lagen mehrere Pakete. Als sie Rune erblickte, weiteten sich ihre kunstvoll geschminkten Augen und sie lächelte.
Zum ersten Mal in seinem sehr langen Leben war Rune der unablässigen weiblichen Aufmerksamkeit überdrüssig. Er schluckte es hinunter und sagte höflich: »Lassen Sie mich raten. Gia, richtig?«
»Das stimmt.«
»Sie arbeiten schnell.« Er trat zurück und hielt die Tür weit auf.
»Sie sagten, es sei dringend«, gab Gia zurück. Aus ihrem Lächeln wurde ein breites Grinsen. »Und dass Sie das Trinkgeld daran gekoppelt haben, wie schnell ich hier sein kann, hat die Angelegenheit zu einem echten Notfall gemacht.« Die Brünette trat über die Schwelle und machte den Pagen ein Zeichen, ihr zu folgen. »Zum Glück ist Montag. Das meiste von dem, was Sie wollten, habe ich bekommen. Aber ein paar Dinge, wie den Schmuck, werde ich persönlich abholen gehen. Ich hoffe, das ist in Ordnung?«
»Natürlich ist es das.« Rune drehte sich auf einem Absatz um und schätzte den Platz in der Suite ab. Ihm fiel auf, dass die Anspannung auf Carlings Gesicht weiblicher Neugier gewichen war. Dennoch hielt er es für besser, nicht zu lächeln. »Am besten bringen Sie alles in eines der Schlafzimmer.« Da er in einem bereits Carlings Gepäck abgestellt hatte, deutete er auf das zweite.
»Sicher.« Gia nickte Carling freundlich zu, während sie in die angegebene Richtung ging, die Pagen und die Kleiderständer im Schlepptau.
Rune folgte ihr und blieb im Türrahmen stehen, während Gia die Pagen anwies, die Kleiderständer auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Zimmers aufzustellen. Mit verschränkten Armen stellte sich Carling neben ihn. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, den er nicht mit Sicherheit deuten konnte. Es sah aus wie eine Mischung aus schwelender Wut, Neugier und vielleicht einem Hauch Erheiterung.
»Das sieht übertrieben aus. Ich hatte an ein oder zwei Outfits gedacht«, murmelte Carling.
Er lächelte sie von der Seite an. »Ich wollte, dass du viele Auswahlmöglichkeiten hast.«
Die Einkäuferin sagte: »Es ist ganz einfach. Herrenkleidung hängt auf dem rechten Ständer, Damenkleidung auf dem linken. Wenn Sie alles durchsehen konnten und etwas zurückgehen lassen möchten, rufen Sie mich einfach an. In der Zwischenzeit gehe ich los, um den Schmuck und einige andere Dinge zu holen.«
»Schmuck ist nicht nötig«, sagte Carling.
Gia verharrte.
»Achten Sie nicht darauf, was diese Frau sagt. Sie kaufen für mich ein, nicht für sie. Sie hat keinen Sinn für Mode oder sonstige normalen weiblichen Instinkte. Schmuck ist immer nötig«, sagte Rune.
Über eine Schulter hinweg lächelte ihn Gia mit großen Augen an.
»Entschuldigung?«, fragte Carling unheilvoll.
Er war nicht vollkommen sicher , aber er glaubte, dass ihr echter Zorn womöglich schon verraucht war. Tief in ihren Augen lauerte ein Funke. Wie konnte er je geglaubt haben, sie habe keinen Sinn für Humor? Sie sprühte geradezu vor einer Art Guerilla-Humor, der sich in den Schatten am Rande von Unterhaltungen entlangdrückte und auf die Unachtsamen zielte. Diese Erkenntnis erfreute ihn so sehr, dass er sie sich schnappen und ihr einen Kuss auf die missmutig vorgeschobenen Lippen drücken musste. »Nicht schmollen«, sagte er. »Das schickt sich nicht für jemanden in deinem Alter.«
Während sie noch die Augen verdrehte, erwiderte sie seinen Kuss, wie er erfreut feststellte. »Oh, die Sache mit dem Alter. Du musstest unbedingt damit anfangen, ja?«
»Ich zieh dich doch nur auf, Darling«, sagte Rune. »Ich habe dich bei diesen außenpolitischen Anlässen gesehen. Du trägst klassisch schwarzes Chanel mit beängstigender Gelassenheit. Wenn du nicht gerade diese katastrophalen Mu’umu’us trägst.«
»Katastrophale Mu’umu’us ?« Sie fing wieder an, mit dem nackten Fuß auf den Boden zu klopfen. Gott, wie er diesen
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