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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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Erscheinung war sein weltgewandter, kluger Löwenblick.
    Jetzt lächelten diese atemberaubenden Augen sie an. Sie zogen sie quer durch den Raum zu ihm hin.
    »Eine Wahnsinnshütte hast du hier«, sagte Rune. »Nicht schlecht, durch und durch Gothic. Was passiert, wenn man von der Insel fortsegelt?«
    »Wenn man die Insel aus den Augen verloren hat, segelt man letztendlich wieder aufs Land zu. Es ist nur eine kleine Anderlandnische mit einem einzigen Übergangspunkt, der unter Wasser liegt. Es gibt hier nichts als die Insel und das Meer.«
    »Reizend.«
    Sie pirschte auf diesen Mann zu, der wie die Sonne strahlte. Die Magie seiner Gegenwart prickelte auf ihrer Haut. Mit jedem Schritt kam sie ihm näher und fühlte sich lebendiger. Im Vergleich zu seinen voll entfalteten, farbenfrohen Emotionen kamen ihr all die anderen Lebewesen, die sie wahrgenommen und von denen sie sich ernährt hatte, so blass und schwach vor wie verwässerte Milch. Rune war ein üppiger, sprudelnder Nahrungsquell, ein tief rubinroter Bordeaux. Sie verspürte das Echo von etwas, das einmal Hunger gewesen sein musste. Sein Blut würde atemberaubend schmecken, so brennend und intensiv wie erlesener Likör.
    Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich, als sie sich näherte. Sein Lächeln wurde schärfer und tiefer und zeigte andeutungsweise seine ebenmäßigen, weißen Zähne. Auch seine Emotionspalette veränderte sich, in dem rubinroten Bordeaux trieben verführerische und unerklärliche Vielschichtigkeiten.
    Sie stand dicht vor ihm. Mit eins achtundsechzig war sie früher eine hochgewachsene Frau gewesen. Jetzt galt sie als durchschnittlich groß. Sie musste den Kopf zurückbeugen, um direkt und ohne zu blinzeln in diese Löwenaugen blicken zu können. Sein Atem ging tiefer, die Augen weiteten sich. Was war das für ein Gefühl, das sie bei ihm wahrnahm? Das Echo einer flüchtigen Erinnerung trieb am Rande ihres Bewusstseins entlang. Vor langer Zeit hatte sie es schon einmal gefühlt. Es hatte sie trunken und ungestüm gemacht und war von impulsivem und sorglosem Gelächter begleitet gewesen.
    Sie wandte sich ab und schritt nachdenklich um ihn herum. Langsam drehte er sich rückwärts, im gleichen Tempo wie sie. Er neigte den Kopf im gleichen Winkel und brachte sein Gesicht dicht vor ihres. Zwei Raubtiere, einander ebenbürtig an magischer Energie, versunken in ein Kräftemessen und gegenseitiges Taxieren.
    Furchtlosigkeit? Ja, er war furchtlos, aber das war nicht die Empfindung, die an ihre Erinnerung rührte. Faszination? Ja, auch das fühlte er, doch das war es nicht, woran sie sich so angestrengt zu erinnern versuchte.
    Dieser Greif nannte sich Rune Ainissesthai. Rune bedeutete Bildzeichen, eine Sigille, ein Strich auf einem Blatt Papier, aber darüber hinaus stand Rune für ein Mysterium, für Magie. Ainissesthai war altgriechisch und bedeutete »in Rätseln sprechen«. Das mysteriöse magische Rätsel.
    »Rune Ainissesthai«, flüsterte sie. »Wie lautet das Rätsel?«
    In seinem Blick loderte elektrisiertes Licht. Oh, jetzt habe ich deine Aufmerksamkeit, nicht wahr, Wyr? Sie lächelte. Glaubst du etwa, alle hätten die Bedeutung deines Namens vergessen?
    »Eine solche Frage solltest du lieber nicht stellen«, sagte Rune. Er hatte seine Stimme zu einem tiefen, heiseren Raunen gesenkt, das über ihre Haut strich.
    »Rune Ainissesthai«, flüsterte sie zum zweiten Mal, und die magische Energie, die sie dabei einsetzte, ließ seinen Namen zwischen ihnen nachklingen wie die Klangschale eines chinesischen Buddhisten. »Warum bist du zu mir gekommen?«
    »Ich bin gekommen, um meine Schuld zu begleichen«, sagte Rune, und in seiner Antwort hallte der Schrei eines Adlers wider.
    »Rune Ainissesthai«, flüsterte sie zum dritten Mal. »Wirst du mir einen Gefallen nach meinen Wünschen erweisen, um deine Schuld zu begleichen?«
    »Selbstverständlich«, gab der Greif zurück, und in seiner Stimme lag das Knurren des Löwen.
    Mit einem einzelnen Stoß ihrer magischen Energie ließ sie die Schwingung zwischen ihnen anklingen, dass es wie ein Gong von den Steinwänden des großen Saals widerhallte, und die magische Verfügung war perfekt. Sie lächelte. »Der Pakt wurde geschlossen und besiegelt.«
    Jetzt war er gebunden und hatte wahrhaftig keine andere Wahl, als ihr zu gehorchen. Du gehörst mir, sagte sie stumm zu seiner großen, kraftvollen Gestalt. Du stehst mir für all meine Wünsche zur Verfügung. Für diesen Augenblick besitze ich dich. Und

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