Der Kuss des Greifen (German Edition)
Der pralle, runde Hügel füllte seine begierige Hand aus und passte einfach so verdammt perfekt hinein wie die Tastenkombination zu einem unknackbaren Geheimcode. Ein Geräusch drang aus ihrer Kehle. Es klang rau vor Überraschung, und er schluckte es hinunter. Mit zitternden Fingern suchte und fand er ihre Brustwarzen, die unter dem Gewand hervorstanden.
Sie erwiderte seinen Kuss mit der gleichen Wildheit. Er hätte schwören können, dass sie es tat. Auch ihr Körper bebte und bog sich ihm voller Verlangen entgegen.
Dann riss sie das Gesicht von seinem los. Er zog den Kopf zurück, um sie scharf und prüfend anzusehen. Ihr Mund war geschwollen und gerötet, die dunklen Augen geweitet und leer vor Schreck.
In einem abgerissenen Geräuschfetzen, denn mehr war von seiner Stimme nicht übrig, sagte er: »Das war ein richtiger Kuss.«
Ihr Blick heftete sich auf ihn, und ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie etwas sagen. Dann erinnerte er sich an den dummen Handel, den sein verdammtes Idioten-Ich angeboten hatte.
Er ließ sie sanft hinuntergleiten, bis ihre bloßen Füße den gefliesten Boden berührten, und sank wieder auf ein Knie, um sich mit vollkommener Ehrerbietung vor der einstigen Königin der Nachtwesen zu verneigen. Sie verkörperte den Gipfel dessen, was ein Mann begehren konnte und was er fürchten sollte, und sie verdiente es, dass man ihr die Welt zu Füßen legte.
Carling starrte ihn an. Rune kniete wieder vor ihr, wie sie es befohlen hatte, doch diesmal konnte sie in seinen Empfindungen lesen, dass es ihm ernst war. Er brachte ihr wirklich ernsthafte, anmutige Ehrerbietung dar. Doch anstatt dieses unbekümmerte Alphamännchen zu erniedrigen, verlieh ihm diese Pose die Würde eines mittelalterlichen Ritters.
Dann begriff sie, welches Gefühl sie bei ihm wahrgenommen hatte, denn er hatte es sie am eigenen Leib spüren lassen.
Begehren. Er sah sie an und empfand Begehren.
Als Sukkubus war Carling Expertin für alle Aromen und Nuancen von Gefühlen geworden, doch es war so lange her, dass jemand sie voller Begehren angesehen hatte. Und dass sie selbst irgendeine Form davon verspürt hatte, lag so endlos lange zurück, dass es ihr vorkam, als erlebte sie es zum ersten Mal. Dann wurde sie von heftiger Wut erschüttert wie von einem dunklen, gewaltigen Sturm. Als er den Kopf hob, versetzte sie ihm einen so kräftigen Schlag ins Gesicht, dass er zurückwich und sein Gewicht mit den Fersen abfing. Sie krümmte die Finger zu Klauen, grub sie brutal in seine Haut und zog sie von seinem Wangenknochen bis zum Kinn hinunter. Blut quoll aus den Wunden.
»Wir sind hier fertig«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Jetzt verlasse mein Haus.«
Er starrte sie an, seine Züge verhärteten sich. Betont ruhig hob er eine Hand, um das Blut abzutupfen. Sie konnte sehen, dass sich die Wunden bereits wieder schlossen.
Sie ertrug es nicht länger, ihn anzusehen, drehte sich um und stürmte davon, ohne recht zu wissen, wohin sie lief. Irgendwohin, nur fort, während durch den Friedhof in ihrem Kopf ein wilder Aufruhr wirbelte und Laub über die Grabsteine blies.
Rune weckte Gefühle in ihr, die sie seit einer winterlichen Ewigkeit nicht mehr empfunden hatte. Wie viele Jahrhunderte war es her, dass sie Verlangen gespürt hatte? Es lag so lange zurück, dass sie es vergessen hatte. Gefühle wie Verlangen oder Sehnsucht durfte sie nicht haben. Nicht einmal für einen winzigen Moment durfte sie an die Möglichkeit denken, ihr Leben könnte eine neue Richtung einschlagen und ihr etwas unendlich Seltenes und tödlich Schönes vor Augen führen, denn sie könnte es niemals bekommen.
Für jemanden wie sie war Verlangen niemals ein Geschenk, sondern nur furchtbare, wunderschöne Qual.
»Ich bin schlecht«, flüsterte sie sich zu. Zwei Tränen glitten über ihre Wangen. Auch darin lag eine gewisse Symmetrie.
Sie war eine schlechte Frau am Ende eines sehr langen und schlechten Lebens.
Rune blieb stehen, wischte sich das restliche Blut aus dem Gesicht und sah der davonstürmenden Carling hinterher. Er war erregt und wütend und rang schwer atmend um die Kontrolle über das brüllende Raubtier in sich, das die Verfolgung aufnehmen wollte. Sein Körper vibrierte vor Spannung, seine Welt erzitterte.
Aber sie hat gesagt, wir sind hier fertig. Und ein Nein ist ein Nein.
Das muss man dir lassen, Carling, dachte er. Mit dir ist nichts alltäglich.
Es stand ihm frei, zu gehen; seine Verpflichtung war erfüllt. Den
Weitere Kostenlose Bücher