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Der Kuss des Greifen

Der Kuss des Greifen

Titel: Der Kuss des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Morgan
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Schmerzen riss Lysandra in ihrer Verzweiflung blitzschnell ihr Schwert herum und trennte mit einem Hieb, in den sie all ihre verbliebene Kraft legte, Kers Kopf von ihrem Rumpf. Sie verdrehte ihre Augen. Ein Ausdruck des Unglaubens lag in ihrem Blick. Blut spritzte wie eine Fontäne aus dem Hals hervor, als der Kopf zur Seite flog und mit einem dumpfen Laut auf der Wiese aufschlug. Sofort wollten sich die Toten darauf stürzen, doch Thanatos hielt sie zurück.
    »Ker ist nicht tot«, sagte Thanatos, »denn als Verkörperung des gewaltsamen Todes kann sie nicht sterben. Die Verbannung ist ihr jedoch sicher.« Sein Blick voller Strenge fiel auf die Harpyien, die zusammenzuckten.
    »Wir haben nur auf ihre Befehle hin gehandelt«, sagte Aello in unterwürfiger Pose mit gesenktem Kopf. Auch ihre Schwester, die sich soeben von dem Treffer erholte, hatte eine demütige Haltung eingenommen.
    »Schon gut, doch hättet ihr es mir sagen sollen«, sagte Thanatos.
    »Sie hat uns erpresst.«
    »So ein Dreck. Ihr blutet mir mein frisch angepflanztes Schlafmohnfeld voll!«, erklang Morpheus’ Stimme, die der seines Onkels sogar sehr ähnelte. Kein Wunder, dass er letztere so gut nachahmen konnte.
    Lysandra wandte sich um und sah Thanatos doppelt. »Morpheus?«
    Der links Stehende nickte. »Setzt ihr den Kopf doch wieder auf!«
    »Geht das denn?«
    »Natürlich. Aello, wärst du bitte so freundlich.«
    Die Harpyie sah mit Widerwillen auf den abgetrennten, blutbesudelten Kopf. »Dafür bekomme ich eine Lohnerhöhung.« Sie stürzte sich auf Kers Haupt und erhob sich, es in ihren Klauen haltend, in die Lüfte.
    »Pass doch auf. Du kratzt ihr noch die Augen aus«, sagte Thanatos.
    Morpheus nickte. »Ja, das gibt eine Sauerei auf meiner Aussaat. Stellt Euch vor, es kleben Augäpfel an meinen frisch gekeimten Pflanzen.« Er erschauerte sichtlich.
    Lysandra hatte den unbestimmten Eindruck, dass er seine Tante nicht allzu sehr schätzte.
    Aello setzte den Kopf mit der abgetrennten Seite auf den Halsstumpf, mit dem er augenblicklich zusammenwuchs. Ker erhob sich, doch Lysandra sah anstatt ihres Gesichts den Haarschopf auf der Vorderseite.
    »Irgendwie siehst du heute seltsam aus, Tante Ker«, sagte Morpheus. »Das muss an den Pilzen liegen. Außerdem solltest du dich mal wieder rasieren.«
    »Pilze?« Panik klang in Kers Stimme mit. »Wo sind Pilze? In meinem Haar? Tu sie raus!« Ker griff sich ins Haar und schnupperte. »Was ist das für ein Zeug?«
    »Kentaurenkot. Das ist der besten Dünger weit und breit.«
    »Iiiihh! Und ich habe das jetzt im Haar! Außerdem hat mir diese Mistkrähe den Kopf falsch herum aufgesetzt. Dafür werde ich ihr jede Feder einzeln ausrupfen.«
    »Aua«, sagte Aello.
    »Keine Schwierigkeit, die sich nicht mit Gewalt würde beseitigen lassen. Halte durch, Tante Ker«, sagte Morpheus. »Ich köpfe dich einfach noch mal, dann kann dein Kopf wieder richtig herum anwachsen.«
    Ker kreischte panikerfüllt. »Haltet mir diesen Wahnsinnigen vom Leib!« Sie trat einige Schritte von ihm weg, nahm ihren Kopf in beide Hände und drehte ihn ruckartig um einhundertachtzig Grad. Ein hässliches Knirschen und Knacken erklang, doch schließlich saß ihr Kopf wieder richtig herum. Lediglich ihr Hals sah etwas verdreht aus.
    »Olivenöl ist gut gegen Falten am Hals«, sagte Aello.
    Ker sah sie mordlüstern an. »Spar dir deine Kommentare, wenn du nicht auf dem Grill landen willst!«
    »Meinte ja nur.«
    Sie vernahmen ein Bellen und Hecheln. Ker wurde noch blasser, sofern das überhaupt möglich war.
     
    »Ich konnte ihn nicht mehr halten«, rief die dritte der Harpyien, die zerrupft aussah. An ihrem Gefieder klebte … Hundesabber.
    »Kelaino, was ist geschehen?«, fragte Thanatos.
    Der Molossos, ein mastfiffähnlicher Geisterhund, preschte auf Ker zu … und rieb seinen Unterleib in eindeutiger Pose an ihrem Bein.
    Ker, die vergeblich versuchte, sich ihm zu entziehen, kreischte auf. »Nehmt ihn weg! Nehmt ihn weg!« Sie schwang ihr Schwert, doch dem Hund konnte sie damit nichts anhaben, da er ohnehin bereits tot war.
    Der Hund war fertig, Kers Gewand besudelt und sie blasser als die umstehenden Toten. Der Geisterhund ließ sich zu ihren Füßen auf den platt gedrückten Asphodeln nieder.
    »Ich wusste gar nicht, dass man das als Toter auch noch kann. Aber irgendwie ist es beruhigend«, sagte Aiolos.
    Ker sah ihn mordlüstern an. »Du wirst gleich selbst herausfinden können, ob du als Toter noch dazu in der Lage sein wirst.«

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